Es ist Halbzeit beim Berliner Umwandlungsverbot. Um Mieter:innen vor Verdrängung zu schützen, ist die Umwandlung von Miet- zu Eigentumswohnungen seit August 2021 nur noch in Ausnahmefällen möglich. Bis Ende 2025 ist das Verbot, die sogenannte „Umwandlungsverordnung“, in Kraft.
Indem Mietshäuser in einzelne Eigentumswohnungen aufgeteilt werden, kann der Wert einer Immobilie gesteigert werden: es ist anschließend möglich, jede Wohnung einzeln zu verkaufen. In der Folge ziehen die Käufer*innen oft selbst ein – oder versuchen, wenn es sich um eine Kapitalanlage handelt, den teuren Kaufpreis durch höhere Mieten zu refinanzieren. Mit dem Umwandlungsverbot soll diese Praxis eingeschränkt werden.
Durch eine Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus wurden nun Daten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bekannt – und die machen stutzig: Allein 2022 wurden mehr als 17.000 Mietwohnungen in Eigentum umgewandelt. Zuvor weniger begehrte Stadtteile traf es besonders hart. Wie kann das sein?
Betrachtet man die Entwicklung in Berlin über einen längeren Zeitraum, wird deutlich, dass es vor Inkrafttreten der neuen Regelung 2021 einen regelrechten Umwandlungsboom gab. „Sehr viele Eigentümer haben noch vorsorglich umgewandelt“, erklärt Immobilienmakler David Borck, seit den 1980ern in der Hauptstadt tätig.
2022 ist die Zahl der Umwandlungen im Vergleich zum Vorjahr zwar um 41 Prozent zurückgegangen. Trotzdem lagen die Umwandlungen noch über dem durchschnittlichen Niveau von 2016 bis 2019. Insgesamt 45.830 Wohnungen wurden 2021/22 umgewandelt, weitaus mehr als in den zwei Jahren zuvor.
Wieso aber finden trotz des Verbots Umwandlungen statt?
Zwar gibt es Ausnahmen im Verbot. Wenn etwa mindestens zwei Drittel der Mieter:innen in einem Haus ihre Wohnungen selbst kaufen wollen, muss die Umwandlung genehmigt werden. Frank Maciejewski vom Berliner Mieterverein ist in den vergangenen 50 Jahren in Berlin nicht ein einziger Fall bekannt, in dem so viele Mieter:innen aus einem Haus ihre Wohnungen kauften.
Wie so oft findet sich die Erklärung bei den Berliner Ämtern und der Erhebung der Zahlen: Sie beziehen sich auf das Datum des Grundbucheintrags – nicht auf das Datum der Beantragung der Wohnungsumwandlung. So erläutert es Martin Pallgen, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, auf Tagesspiegel-Anfrage.
Die meisten Umwandlungen 2021 und 2022 wurden demnach schon vor dem Verbot beantragt. „Im zweiten Halbjahr 2021 bis Ende 2022 wurde im gesamten Stadtgebiet die Umwandlung von lediglich 255 Wohnungen genehmigt”, schreibt Pallgen. Das spricht dafür, dass die Verordnung tatsächlich wirkt. Zahlen von 2023 sind laut Senatsverwaltung noch nicht ausgewertet.
Gleichzeitig bedeutet es, dass die Umwandlungen vor Inkrafttreten der Verordnung sogar noch höher ausfielen.
Was genau den Boom ausgelöst hat, lässt sich schwer rekonstruieren. War es die Debatte um das Gesetz selbst? Wäre die Entwicklung ohne das Gesetz noch eindrücklicher gewesen? Tatsache ist: Der Boom 2021 und 2022 traf besonders die Stadtteile, die vormals weniger von Umwandlungen betroffen waren.
Das ergibt der Blick auf die einzelnen „Prognoseräume“, die auf der Karte zu Beginn des Textes gezeigt werden. Dies sind stadtplanerische Gebiete, die etwas größer sind als die Ortsteile Berlins, aber kleiner als die Bezirke. Die Daten stammen aus Antworten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf zahlreiche schriftliche Anfragen der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger seit 2017.
Auch in den vergangenen zwei Jahren fanden die meisten Grundbuchumschreibungen in beliebten Gebieten in Charlottenburg, Prenzlauer Berg und Neukölln statt – genauso wie in den Vorjahren.
Aber in dem jüngsten Boom vor der Bremse traf es vermehrt auch den Stadtrand. In elf Prognoseräumen außerhalb des Rings stiegen die Umwandlungen 21/22 im Vergleich zu 2016 – 2020 um jeweils mehr als 200 Prozent. Allen voran: Biesdorf. Ähnlich ist es auch im Prognoseraum „SPA 3” mit den Regionen Haselhorst, Spandau Mitte und Siemensstadt. Waren es 2016 bis 2020 im Schnitt 12,2 umgewandelte Wohnungen pro Jahr, wurden vergangenes Jahr 153 Wohnungen umgeschrieben. In Hohenschönhausen Süd stieg die Zahl von acht auf 80.
Immobilienmakler David Borck erklärt das mit dem angespannten Markt. „In den gefragteren Lagen ist das Potential für Wohnungsumwandlungen schon erschöpft“, so Borck. Dadurch erweitere sich der Suchradius für viele Kaufinteressenten. Für die schon lange begehrten Kieze dürfte das Umwandlungsverbot vielerorts zu spät gekommen sein.
Ohne zu wissen, wie viele Wohnungen pro Stadtteil insgesamt schon Eigentumswohnungen sind, ist es allerdings schwer, die Statistiken noch besser einzuordnen: Wo schon alles umgewandelt ist, kann man nichts mehr umwandeln. Doch die Gesamtzahlen werden für einzelne Stadtteile und Kieze nicht veröffentlicht.
Auf Bezirksebene reichen die Zahlen weiter zurück. Dabei zeigt sich: In beliebten Bezirken sind seit 1993 bereits zehntausende Wohnungen umgewandelt worden. In Friedrichshain-Kreuzberg wurden demnach bereits ein Drittel des aktuellen Wohnungsbestandes zu Eigentum, in Charlottenburg-Wilmersdorf 27,4, in Pankow 22,7 Prozent. Und dabei kamen in der Zwischenzeit auch Neubauten hinzu, was die Zahlen kleiner macht als sie sind.
Der Mieterverein bewertet die Umwandlungsbremse dennoch als „Schritt in die richtige Richtung”. Bis 2025, wenn die Verordnung wieder ausläuft, würden um die 40.000 Umwandlungen verhindert, sagt Frank Maciejewski vom Berliner Mieterverein.
Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hatte 2020 ein Gutachten zu Folgen des Umwandlungsverbots für die FDP-Fraktion im Bundestag erstellt. Der Autor und Ökonom Michael Voigtländer argumentierte darin, dass die Bremse letztendlich Investoren zugutekomme. Den Kauf von Wohnungen ohne Umwandlungen könnten sich nur andere größere Investoren leisten, so Voigtländers These. In der Folge würden ganze Häuser gehandelt statt einzelner Wohnungen.
Sein Lösungsvorschlag: Eine komplette Rücknahme des Umwandlungsverbots, stattdessen Unterstützung der Mieter*innen, die von ihnen bewohnte Wohnungen kaufen wollen.
Das Land Berlin will die Verordnung nicht zurücknehmen – im Gegenteil. Man setze sich im Bundesrat für die Entfristung des Gesetzes ein, teilt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit. Umwandlungsanträge rückwirkend für die Zeit vor dem Verbot einzuschränken, dafür gäbe es keine rechtliche Grundlage.
Passiert die Verlängerung nicht, dürften die Umwandlungszahlen in zwei Jahren wieder hochgehen. Laut den bisherigen Zahlen ist es wahrscheinlich, dass es dann vor allem die sozial schwächeren Gebiete der Stadt wie Wedding oder Marzahn trifft. Dort besteht noch mehr Potenzial für Umwandlungen als in den Innenstadtlagen. Unwahrscheinlich, dass Mieter*innen in diesen eher ärmeren Teilen Berlins ihre Wohnungen selber kaufen werden.