In Berlin wurden 763 Fahrräder im Gesamtwert von 843.572 Euro gestohlen – und zwar allein in den vergangenen 14 Tagen. Keine Besonderheit: Zwischen August 2022 und Juli 2023 meldeten Berliner*innen 22.745 Fahrraddiebstähle. Das entspricht knapp sechs geklauten Rädern pro 1000 Einwohner*innen in einem Jahr und 25 Millionen Euro Schaden.
Die Zahlen gehen aus einem täglich aktualisierten Datensatz der Berliner Polizei hervor, den der Tagesspiegel ausgewertet hat. Er enthält Zeit, Ort und Schadenswert der Fahrraddiebstähle. Die Angaben stammen von Bestohlenen, die einen Diebstahl bei der Polizei anzeigen. Die Dunkelziffer, zu der die Polizei keine Schätzung abgeben mag, dürfte weit höher liegen.
Die Analyse der Berliner Diebstahldaten zeigt: Nicht überall in der Stadt werden gleich viele Fahrräder gestohlen. Es lassen sich Muster nach Kiez, Zeit, Art und Wert erkennen.
Außerhalb des Rings werden nur halb so viele Fahrräder pro Kopf gestohlen wie innerhalb. In den vergangenen zwölf Monaten kamen mit 3814 die meisten Fahrräder im Bezirk Mitte abhanden. Setzt man die Diebstähle ins Verhältnis zur Einwohner*innenzahl, liegt Friedrichshain-Kreuzberg mit Abstand an der Spitze.
Am sichersten steht ein Fahrrad in Spandau. Hier wurden im vergangenen Jahr 2,43 Räder pro 1000 Menschen entwendet.
Wie viele der in einem Kiez Beklauten dort auch wohnen, geht aus den Daten nicht hervor. Auch nicht, wo genau das Rad gestohlen wurde. Angegeben ist der sogenannte „Planungsraum“, in dem der Diebstahl geschah. Berlin ist in 542 solcher Kieze eingeteilt.
Die meisten Fahrräder wurden in Alt-Treptow (Treptow-Köpenick), im Wrangelkiez (Friedrichshain-Kreuzberg) und rund um den Leopoldplatz (Mitte) als gestohlen gemeldet, dicht gefolgt vom Kiez Humboldthain Nordwest (Mitte) und der Antonstraße (Mitte).
Umgerechnet auf die Einwohner*innen führt der Kiez Wriezener Bahnhof (Friedrichshain-Kreuzberg), gefolgt von der Nonnendammallee in Spandau und dem Gleisdreieck (Friedrichshain-Kreuzberg).
Besonders diebstahlgefährdet sind Fahrräder laut der Polizei Berlin an schlecht einsehbaren Orten, an Plätzen mit wenigen Anschlussmöglichkeiten sowie dort, wo viele Räder lange stehen, etwa „an Bahnhöfen, vor Schulen, Sport- und Freizeiteinrichtungen oder vor Einkaufszentren“.
Auch Fahrraddiebstähle haben Saison. In der ersten Juliwoche wurden mehr als doppelt so viele Fahrraddiebstähle gemeldet (571) wie in der ersten Januarwoche (250).
Auch die Diebstahl-Uhrzeiten lassen ein Muster erkennen. Über den Tag hinweg steigen die Diebstähle an, in der Nacht fallen sie etwas ab.
Auch hinsichtlich der Wochentage unterscheiden sich Berliner Fahrraddieb*innen nicht maßgeblich von Arbeitnehmer*innen: Unter der Woche stehlen sie mehr als am Wochenende. Der Tag mit den meisten Diebstählen ist Montag, der mit den wenigsten Sonntag.
In den Daten ist vermerkt, wie viel das Fahrrad zum Diebstahl-Zeitpunkt geschätzt noch wert war. Der Durchschnittswert unterscheidet sich nach Bezirken nur gering. Auf Kiezebene unterscheiden sich die Zahlen hingegen stark. Spitzenreiter ist der Kiez Tirschenreuther Ring Ost in Marienfelde: Hier liegt der durchschnittliche Wert eines gestohlenen Rads bei 2640 Euro.
Die Tendenz ist steigend. Denn Dieb*innen stehlen immer mehr Fahrräder – und teurere: Der Durchschnittswert der geklauten Gefährte ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 11,5 Prozent gestiegen. Ob das daran liegt, dass teurere Fahrräder gefahren werden oder ob Klauende sich auf hochpreisige Modelle fokussieren, lässt sich aus den Daten nicht erkennen. Der Berliner Polizei liegen zu den Gründen keine Daten vor, merkt jedoch an, der Anteil teurer Fahrräder wie zum Beispiel E-Bikes habe in Berlin zugenommen.
Auffällig ist der Anstieg der Schadenshöhe zu Beginn 2023. Hier könnte der Diebstahl neuwertiger Fahrräder in der Weihnachtszeit eine Rolle spielen. Der Polizei Berlin liegen zu den Gründen für den Weihnachts-Anstieg keine Daten vor.
Auch mit Blick auf die Gesamtentwicklung gibt es keinen Grund zur Entwarnung. Im Gegenteil: Während die Zahl der Autodiebstähle leicht zurückgeht, steigt die der Fahrraddiebstähle an. Aufgeklärt werden sie nur selten. Beides geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik 2022 hervor.
Zwar ist die Fahrraddiebstahl-Aufklärungsquote in den vergangenen zehn Jahren um knapp 40 Prozent gestiegen. Doch der Dieb eines geklauten Autos wird noch immer mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit gefasst als der eines Fahrrads: Die Aufklärungsquote von Fahrraddiebstählen in Berlin beträgt 5,4 Prozent, die von Autodiebstählen acht. Das Auto ist auf den Straßen der Hauptstadt sicherer als das Rad - und zwar auch, was Diebstahl-Aufklärung angeht.