Am Dienstag erreichte der Iran einen traurigen Rekord: 229 Corona-Tote wurden an diesem Tag registriert. Das sind mehr als im Iran je zuvor an einem Tag gemeldet wurden.
In letzter Zeit wuchs das Interesse an Corona-Indikatoren, die mehr sagen als die reine Zahl aller bisherigen Fälle oder Toten. Einer davon: die sogenannten „aktiven Fälle”. Das sind alle bekannten Infektionen, die noch nicht mit der Genesung oder dem Tod endeten. Der Iran zeigt: Eine sinkende Anzahl „aktiver Fälle“ muss nicht immer eine gute Nachricht sein. Denn die Zahl sinkt nicht nur, wenn viele Menschen wieder gesund sind, sie geht auch nach unten, wenn viele Patienten sterben. Vom 19. Auf den 20. Juli sank die Zahl aktiver Fälle zum Beispiel um 102 Menschen – an dem Tag gab es aber auch 209 Todesfälle.
In unserer neuen wöchentlichen Coronadaten-Kolumne schaue ich mir den Iran genauer an.
Die aktiven Fälle im Iran stiegen vor einem Monat auf über 31.000 und liegen jetzt um etwa ein Drittel darunter. Aber bei den Werten muss man beachten: Oft ist die Erfassung der geheilten Fälle nicht besonders genau. Hierzulande beruhen sie auf reinen „Schätzungen” des RKI. Die Niederlande veröffentlichen überhaupt keine Werte.
In dieser Grafik werden die Genesenen in blau dargestellt, die aktiven Fälle in rot und die Verstorbenen in grau. Zusammen ergeben die Werte alle erfassten Corona-Fälle.
Die Todeszahlen im Iran haben zuletzt an mehreren Tagen 200 überschritten. Zum ersten Mal erreichten sie die Marke am 7. Juli. Aber zum Vergleich: Alleine in New York City wurden Anfang April täglich über 700 Tote gezählt.
Den offiziellen iranischen Zahlen nach kommen seit Beginn der Erfassung 18,4 Tote auf 100.000 Einwohner. In Deutschland liegt die Zahl bei etwa 11 pro 100.000, im Vereinigten Königreich sind es ungefähr sechsmal so viele.
Der jüngste Anstieg der Todesfälle seien nach Einschätzung von Experten auf die Lockerungen in den letzten Wochen zurückzuführen, sagte die Sprecherin des iranischen Gesundheitsministeriums, Sima Lari. Beispielsweise konnten ab dem 20. April Basare und Kaufhäuser wieder öffnen, staatliche Einrichtungen sogar schon eine Woche früher. Die Lockerungen hätten besonders dazu geführt, dass die Bevölkerung die Hygienevorschriften und auch die Pandemie nicht mehr ernst genommen habe. Jetzt schritt die Regierung ein: Seit einer Woche gelten wieder strengere Beschränkungen.
Früh gehörte der Iran zu den Corona-Hotspots. Und früh sanken die Zahlen wieder, nämlich ab dem Monatswechsel von März auf April. Am 2. Mai gab es noch 802 gemeldete Neuinfizierte – ein Wert, der seitdem nicht wieder unterboten werden konnte. Alleine diesen Donnerstag wurden über 2600 Neuinfektionen erfasst.
Den größten Zuwachs neuer Infektionen meldete der Iran dann am 4. Juni. Das Gesundheitsministerium führte die hohen Zahlen an diesem Tag allerdings auf den Zuwachs bei den Tests zurück. Präsident Hassan Rohani gab hingegen einer ausufernden Hochzeitsfeier die Schuld. Das Beispiel zeigt, wie schwer es ist, Corona-Fallzahlen richtig einzuschätzen. Denn mehr Tests können genauso zu mehr gemeldeten Fällen führen wie ein tatsächlicher plötzlicher Anstieg der Infizierten in der Bevölkerung.
Mit Stand Donnerstag stieg die Zahl der bisher nachgewiesenen Infektionen im Iran auf 284.034. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen – so Schätzungen iranischer Behörden. Rund 25 Millionen und damit etwa 30 Prozent der Bevölkerung könnten das Virus bereits haben, sagte Rohani vergangene Woche im staatlichen Fernsehen. Nach den veröffentlichten Zahlen sind es etwa 0,3 Prozent – also hundertmal weniger.