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Länderanalyse: Corona in Nordamerika

Was Kanada besser macht
als die USA und Mexiko

Die USA haben zwar mehr Corona-Tote als jedes andere Land – aber Mexiko ist eigentlich noch schlimmer dran. Kanada hingegen ist das leuchtende Beispiel Nordamerikas. Warum ist das so?
Die USA haben zwar mehr Corona-Tote als jedes andere Land – aber Mexiko ist eigentlich noch schlimmer dran. Kanada hingegen ist das leuchtende Beispiel Nordamerikas. Warum ist das so?
US-amerikanisches Schiff an den Niagara-Fällen: Trotz allem sind viele Pasagiere erlaubt. Foto: Carlos Osorio / Reuters
Auf den kanadischen Ausflugsbooten dürfen sich hingegen nur sechs Passagiere aufhalten. Foto: Carlos Osorio / Reuters

Große Teile der USA seien „coronafrei“, sagte US-Präsident Donald Trump am Dienstag. Erstaunlich, denn gleichzeitig schaut die Welt sorgenvoll auf die täglich steigenden Infektionszahlen in dem Land. Und die Menschen dort infizieren sich nicht nur. Nirgends sonst sind mehr Corona-Tote registriert worden. Täglich sterben Hunderte mit einer Coronainfektion – seit Beginn des Monats sogar mit steigender Tendenz. Allein am Donnerstag erfasste die Johns-Hopkins-Universität 1233 Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19. In dem bevölkerungsreichen Land sind das 0,38 Todesfälle pro 100.000 Einwohner.

Auch wenn die USA die meisten Toten zählen, verrät der Blick auf die Zahlen pro Kopf, dass die aktuelle Dynamik woanders noch tödlicher ist. Zum Beispiel südlich der Grenze in Mexiko. In den USA starben zuletzt jeweils weniger als 0,4 von 100.000 Einwohnern mit Covid-19. In Mexiko waren es im 7-Tagesschnitt der vergangenen Wochen stets mehr.

Nördlich der USA sieht es hingegen viel besser aus: In Kanada wurde die Marke von 0,4 Toten pro 100.000 Einwohnern nur während der bisher schlimmsten Pandemiephase Anfang Mai überschritten. Damals wurden dort an vielen Tagen deutlich über 100 Tote erfasst. Heute ist das nur gut 37 Millionen Menschen zählende Land weit von diesen Todeszahlen entfernt. In den vergangenen Tagen starben täglich oft weniger als zehn Menschen im ganzen Land. Auf 100.000 Einwohner umgerechnet kommen so Werte unter 0,1 zustande.

Mexiko: Weniger bekannte Fälle, aber viele Tote

Die hohe Zahl der Toten im Verhältnis zur Bevölkerung Mexikos wird noch dramatischer, wenn man sich anschaut, wie viele Menschen dort überhaupt positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Es sind nämlich je 100.000 Menschen in Mexiko nur ungefähr ein Viertel so viele wie in den USA. Von 100.000 Mexikanern waren laut positiver Tests etwa 319 mit Corona infiziert – in den USA 1000 mehr.

Eine mögliche Erklärung ist eine höhere Dunkelziffer der Infizierten in Mexiko. Das würde zumindest zum extremen Unterschied bei der Anzahl der Tests auf SARS-CoV2 passen. In Mexiko gab es bisher etwa acht Tests pro 100.000 Menschen, in den USA waren es 30-mal so viele, nämlich mehr als 240. Mehr als sechs von zehn mexikanischen Tests sind positiv, in den USA weniger als einer von zehn.

Kanada: viele Tests, aber wenige positive

In Kanada sind es noch viel weniger positive Ergebnisse, nicht mal 1,5 von hundert Tests. Die Gesamtzahl der bestätigten Fälle pro Bevölkerung ist dort trotzdem ähnlich hoch wie in Mexiko. Wenn es also in Kanada viel mehr Test gibt und dabei eine ähnliche Corona-Fallzahl wie in Mexiko herauskommt, deutet das darauf hin, dass der mexikanische Wert viel weiter unter der Realität liegt als der kanadische.

Die unterschiedliche Corona-Lage in den drei Staaten hat auch mit den geltenden Maßnahmen zu tun. Bilder von den Niagarafällen illustrieren, dass Kanada deutlich strengere Regeln erlassen hat. Hier dürfen nicht mehr als sechs Passagiere auf ein Schiff. Die US-Nachbarn lassen die halbe Kapazität der möglichen Gesamtzahl an Passagieren zu – so wird es an Bord ganz schön eng.

WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus lobte deswegen neben Deutschland zuletzt auch Kanada: „Wo Maßnahmen befolgt werden, gehen die Fälle zurück. Wo sie nicht befolgt werden, gehen die Fälle nach oben.“

Lockerungen in Mexiko trotz steigender Zahlen

Ab Mitte Mai begann Kanada zwar mit Lockerungen – aber mit großer Umsicht. Und erst nachdem sich ein Rückgang der Fallzahlen deutlich zeigte. Noch bis in den Juli gingen die täglichen Neuinfektionen tendenziell zurück.

Mexikos Präsident Manuel López Obrador verkündete Anfang Juni Lockerungen der Corona-Maßnahmen. Eine anscheinend nicht durch Daten gerechtfertigte Entscheidung, denn eine Abflachung der Virusdynamik war damals – anders als in Kanada – nicht zu beobachten. Eine Studie der University of Washington warnte im Mai, dass bis Anfang August über 16.000 Tote zu befürchten seien. Tatsächlich kam es viel schlimmer: Es gibt aktuell bereits mehr als 46.000 Coronatote.

Außerdem spiegeln die Unterschiede der drei Staaten wider, wie verschieden die Gesundheitsversorgung dort generell ist. Ein Indikator dafür ist die Lebenserwartung. Laut OECD liegt sie in Mexiko bei 75 Jahren, in den USA bei 78,7 und in Kanada bei 82. Im Jahr 2000 verglich die WHO zuletzt die Gesundheitssysteme der Welt, dabei erreichte Kanada Rang 30, die USA Rang 37 und Mexiko nur Platz 61. Je schlechter das medizinische System funktioniert, desto schlimmer trifft Corona offenbar ein Land.

Die abflachende Kurve aus Kanada ähnelt weniger der aus den USA als der aus Deutschland oder anderen europäischen Staaten. Ein Hinweis darauf, dass das ähnlich gestaltete Gesundheitswesen bei der Bewältigung der Pandemie hilft. Dazu gehört etwas, um das viele südliche Nachbarn Kanada beneiden: eine allgemeine staatliche Krankenversicherung.

Die Autoren

Jonas Bickelmann
Text & Recherche
David Meidinger
Datenvisualisierung
Veröffentlicht am 1. August 2020.
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