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Deutschland erreicht EU-Ziel

Diese Länder sparen am meisten Gas seit der Invasion der Ukraine

Europa muss Gas sparen, um unabhängiger von Russland zu werden. Aktuelle Daten zeigen: Viele Länder haben das EU-Einsparziel inzwischen erreicht, inklusive Deutschland. Andere Länder sparen aber weitaus mehr. Ein Überblick.
Europa muss Gas sparen, um unabhängiger von Russland zu werden. Aktuelle Daten zeigen: Viele Länder haben das EU-Einsparziel inzwischen erreicht, inklusive Deutschland. Andere Länder sparen aber weitaus mehr. Ein Überblick.
Foto: Imago, Tagesspiegel-Illustration

Wir sparen zu wenig Gas, warnte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, Ende Januar. Von 20 Prozent sprach er wieder, die Deutschland einsparen müsste, damit es zu keiner Gasmangellage kommt – also mehr Gas verbraucht wird als aus Importen und Speichern gedeckt werden kann.

Daten des Thinktank Bruegel für Februar 2022 bis inklusive Januar 2023 zeigen: Das Ziel der EU-Staaten von Einsparungen bis zu 15 Prozent hat Deutschland immerhin erreicht. 16,9 Prozent Gas sparte das Land seit Januar 2022. Trotz der teilweise kalten Wintermonate gelang es, 2,4 Prozentpunkte mehr Gas zu sparen als noch im November.

Im Juli 2022 hatten die EU-Mitgliedstaaten vereinbart, ihren Gasverbrauch zwischen dem 1. August 2022 und dem 31. März 2023 um 15 Prozent zu senken. Dass mehr geht, zeigen andere europäische Länder. Sie haben in den vergangenen zwölf Monaten bisher weitaus mehr eingespart.

Wer in dieser Grafik fehlt, sind die Top-Sparer des Jahres 2022. Finnland, Litauen und Schweden haben noch keine Daten für Januar 2023 veröffentlicht. Im Jahr 2022 hat Finnland 48 Prozent Gas gespart. In Litauen waren es 31 Prozent, in Schweden 30 Prozent.

Diese Daten stammen ebenfalls aus dem „European natural gas demand tracker” von Bruegel. Unter anderem für Deutschland schlüsselt der Think Tank auch auf, woher die Einsparungen kommen – ob aus Industrie, Haushalten oder der Stromproduktion. Die Industrie sparte 2022 fast doppelt so viel wie die Haushalte – neun Prozent im Vergleich zu fünf Prozent.

Das kann verschiedene Gründe haben, unter anderem sind Einsparungen bei Haushalten stärker vom Wetter abhängig. Ist es kälter können sie weniger sparen. Bei der Stromproduktion sparte Deutschland laut den Daten bislang gar nicht.

Was machen die Spitzensparer besser?

Führendes Gas-Sparland für den Zeitraum Februar 2022 bis Januar 2023 ist Lettland. Doppelt so viel wie im EU-Ziel angepeilt sparte das baltische Land bereits. Ein Grund dafür dürfte der relativ warme Winter sein. Außerdem hatte das Land bereits Umstellungen auf alternative Energiequellen vorbereitet, die sich jetzt bezahlt machen. Lettland schaltete jedoch auch schlicht das mit Gas betriebene Wärmekraftwerk ab und ersetzte die Energie durch Stromkäufe aus den Nachbarländern.

In den Niederlanden, immerhin mit 24,7 Prozent an Platz vier der Sparenden in den vergangenen zwölf Monaten, wie die Grafik zeigt, reduzierte man einen Teil des benötigten Gases, indem man die Kohlekraftwerke wieder mit voller Kapazität betrieb. Den größten Anteil an Gas mit sparten im Nachbarland den Bruegel-Daten zufolge aber die Haushalte. In der Industrie waren es sechs Prozent, in der Stromproduktion sieben.

Aus der Slowakei fehlen Daten

In den aktuellen Daten zu Gaseinsparungen fehlt außerdem die Slowakei – Schlusslicht im November. Vor drei Monaten hatte das Land noch 4,7 Prozent mehr Gas verbraucht als in den Jahren zuvor. Nun fehlen Daten seit November, sagt Bruegel. Auch die Daten der Europäischen Union zum Gasverbrauch der Mitgliedsländer zeigen einen erhöhten Gasverbrauch. Die Slowakei veröffentlichte kürzlich erst eine Pressemitteilung, die erklärte, dass die Daten zum Gasverbrauch des Landes irreführend seien.

Aktuelles Schlusslicht der Bruegel-Statistik ist Irland. Lediglich 1,2 Prozent sparte man auf der Insel. Das Land war allerdings von der europäischen Vereinbarung von vornerein ausgenommen worden, da das Gasnetz des Landes nicht mit dem Rest der EU verbunden war. Irland war schon vor Beginn des Ukrainekrieges unabhängig von russischem Gas.

Gibt es Entwarnung?

Insgesamt hat sich die Lage in der gesamten EU vorerst entspannt. Im Zeitraum August 2022 bis Januar 2023 sei der Gasverbrauch um 19,3 Prozent gesunken, verglichen mit dem durchschnittlichen Gasverbrauch in denselben Monaten zwischen 2017 und 2022, so gab es die europäische Statistikbehörde Eurostat am Dienstag bekannt. Insgesamt lag der Gasverbrauch in der ganzen EU auch in den kalten Wintermonaten Januar und Februar unter den Durchschnittswerten der Vorjahre.

Eine komplette Entwarnung aus den Mitgliedsländern gibt es aber nicht. Die Europäische Zentralbank warnte vor Engpässen im kommenden Winter 2023/24. Auch aus Deutschland kommen warnende Worte von der Bundesnetzagentur. Chef Klaus Müller sagte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: „Jetzt müssen wir die Weichen stellen, um uns jetzt schon auf den nächsten Winter vorzubereiten.” Denn die geleerten Speicher müssen 2023 ohne russisches Gas wieder befüllt werden. Im vergangenen Jahr floss das noch bis Juli durch Nordstream I.

Einer der wichtigsten Effekte für die Einsparungen in diesem Jahr dürfte dem Bundesnetzagenturchef zufolge das milde Wetter gewesen sein. In den vergangenen zehn Jahren lag die Durchschnittstemperatur im Januar nur im Jahr 2017 ein einziges Mal unter den Durchschnittstemperaturen der klimatologischen Referenzperiode von 1961 bis 1990. Setzt sich der Trend fort, werden die kommenden Winter wärmer – der Klimawandel macht das wahrscheinlicher. Das könnte immerhin den Gasverbrauch senken.

Dieser Artikel wurde als Teil des European Cities Investigative Journalism Accelerator produziert. Es ist ein Netzwerk europäischer Medien, das sich der Recherche gemeinsamer Herausforderungen europäischer Großstädte und Länder widmet. Das Projekt ist eine Fortführung der europäischen Recherche Cities for Rent und wird vom Stars4Media-Programm gefördert.

Das Team

Eric Beltermann
Webentwicklung
Gaby Khazalová
Datenrecherche
Hendrik Lehmann
Datenrecherche
David Meidinger
Webentwicklung
Lennart Tröbs
Gestaltung
Helena Wittlich
Recherche und Text
Veröffentlicht am 23. Februar 2023.
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