Artikel teilen
teilen

Flugtaxis und Lieferdrohnen unerwünscht

Die Mehrheit der Deutschen lehnt den Einsatz von Drohnen laut Umfrage ab. Bei einem Anwendungsfall gibt es aber große Ausnahmen.
Die Mehrheit der Deutschen lehnt den Einsatz von Drohnen laut Umfrage ab. Bei einem Anwendungsfall gibt es Ausnahmen.

Die Videos gingen viral: In zahlreichen Städten weltweit wurden erstmals Drohnen im öffentlichen Raum eingesetzt. Fliegende Kameras überwachten Menschenansammlungen. In chinesischen Städten und in England mahnten sie Menschen über Lautsprecher, Abstandsregeln einzuhalten. Dortmund und Düsseldorf hielten das ebenfalls für eine gute Idee. Und im indischen Bhubaneswar versprühte man gar Desinfektionsmittel per Drohne.

Die Anwendungsmöglichkeiten sind weitaus breiter als die medienwirksamen Einsatzmöglichkeiten zur Überwachung. Rehkitze vor Mähdreschern retten zum Beispiel. Blutkonserven bringen. Windräder checken. Schiffbrüchige finden. Impfstoffe in entlegene Landstriche transportieren. Bei der Ernte helfen. Schadstoffe messen.

Was denken die Leute über Drohnen?

Die Drohnen dafür gibt es schon heute. Und oft sind sie made in Germany. Wofür Drohnen künftig genutzt werden können, wird vor allem hierzulande allerdings davon abhängen, für welche Zwecke die Bevölkerung als legitim wahrnimmt. „Für eine breite Anwendung von Drohnen ist eine breite gesellschaftliche Akzeptanz erforderlich“, schreibt die Bundesregierung in ihrem im Mai vom Kabinett verabschiedeten Aktionsplan für unbemannte Luftfahrtsysteme (UAS). „Nur wenn wir die Bürger vom Nutzen der Technologie sowie ihrem sicheren Betrieb überzeugen können, werden wir das Potenzial voll ausschöpfen.“

Eine repräsentative Studie im Rahmen des Forschungsprojekts Sky Limits von Wissenschaft im Dialog (WiD) und TU Berlin hat diese Akzeptanz von Drohnen nun ausführlich untersucht.

Die Vorstellung, dass Amazon künftig mit Prime-Now-Drohnen die Nachbarschaft verrückt macht, überzeugt anscheinend wenige. Die Ergebnisse zeigen das eindeutig. So lehnt eine deutliche Mehrheit der Deutschen den Einsatz von Lieferdrohnen kategorisch ab. 55 Prozent können mit der Idee nichts anfangen. Noch negativer sehen die Befragten den Einsatz von Flugtaxis im urbanen Raum. 62 Prozent halten das laut der repräsentativen Umfrage für Unsinn, die vom Meinungsforschungsinstitut forsa durchgeführt wurde. Neben dem zweifelhaften Nutzen führen die Befragten vor allem Sorgen um die Sicherheit als Grund für ihre Ablehnung an.

[Fragen des Tages: Alle wichtigen Updates zum Coronavirus finden Sie im kostenlosen Tagesspiegel-Newsletter “Fragen des Tages”. Dazu die wichtigsten Nachrichten, Leseempfehlungen und Debatten. Zur Anmeldung geht es hier].

„Steigende Einwohnerzahlen, überfüllte Straßen und ein hohes Versandaufkommen stellen Großstädte weltweit vor logistische und verkehrspolitische Herausforderungen“, schreiben die Forscher. „Abhilfe könnte die Entwicklung des Luftraums zu einer dritten Verkehrsebene schaffen.“ Aber die Forschungsergebnisse würden zeigen, dass die Bevölkerung Lieferdrohnen und Flugtaxis weiterhin skeptisch gegenübersteht.

Akzeptanz nimmt eher ab als zu

„Auffällig war, dass die Akzeptanz im Vergleich zu Ergebnissen vorheriger Studien in den letzten Jahren noch weiter abgenommen zu haben scheint“, kommentiert Robin Kellermann, Projektkoordinator von der TU Berlin. Die allgemeine Skepsis gegenüber Lieferdrohnen schlägt sich auch bei der Frage nieder, ob die Studienteilnehmer persönlich entsprechende Dienste nutzen würden. Nur gut jeder Vierte kann sich das aktuell vorstellen. Bei den befragten Frauen liegt der Wert sogar nur bei 14,6 Prozent.

Die Ergebnisse zeigen allerdings auch, dass es große Unterschiede nach dem Alter der Befragten gibt. So kann sich die Gruppe der 30-39-Jährigen deutlich häufiger vorstellen, sich per Drohne beliefern zu lassen.

Woher kommt die Ablehnung?

Die Angst vor der Alltagstauglichkeit der neuen Technologie ist besonders ausgeprägt. Drei von vier Befragten fürchten, dass Lieferdrohnen zu Unfällen führen könnten, „bei denen Menschen verletzt werden“. Bei Flugtaxis sind es sogar mehr als 80 Prozent.

„Wenn ich mir vorstelle, wenn ich hier rausgucke, überall würde was rumschwirren oder so, das ist eigentlich nicht so das, was ich wirklich will”, wird der Teilnehmer einer Fokusgruppe der Studie zitiert. Insgesamt zeige sich, dass die Befragten bei Transportdrohnen von deutlich mehr Nachteilen als Vorteilen ausgehen: „Während Hersteller und Politik derzeit auf eine baldige Einführung von Transportdrohnen drängen, zeigt unsere Studie, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber der Technologie mehrheitlich nicht gegeben ist“, sagt Nico Dannenberger, der Projektleiter bei Wissenschaft im Dialog.

In der Studie wurden die Menschen auch nach verschiedenen Nachteilen von Lieferdrohnen und Flugtaxis gefragt. Dabei fällt auf, dass es bei der Ablehnung vor allem um drei Dinge geht: Ästhetik, Lebensqualität und Solidarität. Ein großer Teil der Befragten glaubt, dass durch Quadrocopter und Co. Städte weniger lebenswert werden. So stört sich die Mehrheit vor allem an dem Gedanken, dass ihnen die freie Sicht in den Himmel versperrt werden könnte. Das ganze zusätzliche Gesurre würde sie außerdem stressen, sagen viele. Bei den weiblichen Teilnehmerinnen glauben das fast 80 Prozent.

Neben diesen ästhetischen Bedenken taucht allerdings deutlich die soziale Frage auf: Die größte Sorge haben die Menschen anscheinend um ihre Mitmenschen: Die könnten durch die neuen Flugobjekte ihren Job verlieren, glaubt die Mehrheit.

Ist für Drohnen in Deutschland also erstmal alles verloren? Überhaupt nicht! Bei einem konkreten Anwendungsfall ändert sich das Stimmungsbild schlagartig. Wenn es um Medikamentenlieferungen per Drohne oder Krankentransport per Flugtaxi geht, gibt die Mehrheit der Technologie grünes Licht. Zwei Drittel stimmen dem prinzipiell zu, jeder Zweite würde dann ein Flugtaxi auch selbst nutzen wollen. Die Menschen sind also gar nicht so grundsätzlich gegen neue Technologien. Aber sie muss für die Menschen da sein. Dann darf sie auch mal die Sicht auf den Himmel versperren. Aber eben nur im Notfall.

Die Autoren

Katrin Cremer
Gestaltung
Jens Drößiger
Infografik
Hendrik Lehmann
Text & Koordination
David Meidinger
Webentwicklung
Felix Wadewitz
Text & Recherche
Veröffentlicht am 18. Juni 2020.
javascript:console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })