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Entwicklung der Coronazahlen

Sind Weihnachtsbesuche schuld an der Lockdown-Verlängerung?

Lange waren die Infektionszahlen zu den Feiertagen unklar. So langsam gibt es erste Erkenntnisse, ob Weihnachten und Neujahr zu mehr Ansteckungen geführt haben.
Lange waren die Infektionszahlen zu den Feiertagen unklar. So langsam gibt es erste Erkenntnisse, ob Weihnachten und Neujahr zu mehr Ansteckungen geführt haben.
Illustration: Manuel Kostrzynski

Das schlechte Gewissen saß so einigen im Nacken, die an Weihnachten zu ihrer Verwandtschaft gefahren sind. Auch die Virologen warnten: Dadurch könnte Deutschland noch über Wochen in immer höhere Fallzahlen schliddern. Weil die Fallzahlen so hoch waren, waren am 16. Dezember die Beschränkungen verschärft worden. Erst einmal sanken auch die Fallzahlen.

Kaum waren die Feiertage vorbei, die Gesundheitsämter wieder besetzt, Praxen und Teststellen wieder offen, stiegen die gemeldeten Neuinfektionen wieder an. Am 29. Dezember meldeten die Gesundheitsämter in Deutschland erstmals mehr als tausend Tote pro Tag, am 5. Januar wurde der traurige Rekord auf 1198 erhöht, am 13. Januar wurden erstmals 1200 Todesfälle erreicht.

Wesentlich gefallen sind die Todesfälle seither nicht. Bund und Länder beschossen ein Verlängerung des Lockdowns bis 14. Februar. Der erste Lockdown wirkte viel stärker. Liegt das an den Besuchen an Weihnachten und Silvester, wo mancherorts sogar die Bestimmungen gelockert wurden, damit Familien sich treffen können?

Lange keine Klarheit zu den Feiertagen

Das größte Problem, um das überhaupt einzuschätzen, das betonen Bundesländer sowie Wissenschaftler gleichermaßen, ist die Datenlage. Um die Feiertage wurde weniger getestet und nicht alle Gesundheitsämter waren besetzt. Deswegen sind die Zahlen eigentlich kaum vergleichbar. Und deswegen ist noch immer schwer zu bewerten, welchen Einfluss Weihnachten hatte.

Trotzdem lassen sich rückblickend erste Rückschlüsse ziehen. Spannend ist dafür das Instrument „Nowcasting” des Robert Koch-Instituts. Mit dieser statistischen Methode schätzt das RKI, wie viele Menschen einem bestimmten Tag erkrankten. Denn das Problem ist der Zeitverzug. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Inkubationszeit, also die Zeit zwischen Ansteckung und dem Beginn der Erkrankung etwa vier Tage beträgt. Und dann vergeht noch einmal Zeit, bis eine Person getestet wurde und diese Fälle auch beim RKI gemeldet werden.

Durch die Inkubationszeit und den Meldeverzug im Gesundheitswesen liegen die neu gemeldeten Fälle also schon einige Tage zurück. Beim Nowcasting schätzt das RKI zunächst einen wahrscheinlichen Erkrankungsbeginn für Fälle, bei denen dieser nicht vom Gesundheitsamt übermittelt wurde. Zusätzlich werden dann für die vergangenen Tage die Fälle abgeschätzt, die durch den Meldeverzug noch nicht beim RKI angekommen sind. Dabei wird die Meldegeschwindigkeit der vergangenen Tage mit einberechnet. Da die Feiertage mehrere Wochen zurückliegen, haben die Zahlen mittlerweile laut RKI nur noch geringe statistische Ungenauigkeiten und sind gut zu vergleichen.

Schaut man also auf die vom Nowcasting geschätzten Neuinfektionen nach Erkrankungsbeginn, so zeigt sich: Die Zahl der bestätigten neuen Erkrankungen ist sowohl nach Weihnachten als auch nach Silvester gestiegen. Die Lockerungen und das Verhalten zusammen scheinen zu Tausenden Neuinfektionen geführt zu haben.

Die große Welle blieb jedoch aus

Fragt man bei den Bundesländern nach, fällt das Fazit gemischt aus. „Über die Feiertage hat es weder eine deutliche Reduzierung noch eine deutliche Steigerung der Infektionszahlen gegeben. Das Infektionsgeschehen ist unverändert viel zu hoch.“, heißt es aus Thüringen. Schleswig-Holstein antwortet: „Eine deutlicher und anhaltender Rückgang ist bislang nicht festzustellen.“ In Hessen deutet sich „eine Stabilisierung der Infektionszahlen an; auf hohem Niveau“. In Niedersachsen „ist bis jetzt keine deutliche Zunahme der Fallzahlen bedingt durch ein stärkeres Infektionsgeschehen erkennbar.“ Positiv gesagt: Der befürchtete starke Anstieg wegen der Feiertage ist ausgeblieben. Die neuen Ansteckungen verhinderten jedoch in Teilen eine tatsächliche Absenkung der Fallzahlen.

In Bayern und Bremen gibt man sich vorsichtig optimistisch. In Bayern gehe die Positivquote bei den durchgeführten Testungen leicht zurück, das sei „ein Indiz für einen Rückgang des tatsächlichen (und nicht nur des erfassten) Infektionsgeschehens“. In Bremen sei man wieder auf dem Testniveau der Vorweihnachtszeit, so dass die Zahlen wieder vergleichbar seien: „Deshalb ist eine Weihnachts- oder Silvester-Welle aktuell nicht zu verzeichnen.“ Ganz vorsichtig könne man sagen, dass man einen Rückgang verzeichne.

Vorsichtiger Optimismus?

Auch im Nowcast-Modell des RKI zeichnet sich langsam ein Rückgang der Neuinfektionen an. Weihnachten scheint die Eindämmung der Pandemie gebremst zu haben, eine dritte Welle hat es aber nicht hervorgebracht. Der Blick nach vorne: Aktuell liegt der R-Wert bei leicht unter eins. Doch die von der Bundeskanzlerin angestrebte Inzidenz von 50 ist noch weit entfernt.

Für die Darstellung der Nowcast-Daten des RKI haben wir uns von einer Grafik der Stuttgarter Zeitung inspirieren lassen.

Über die Autorinnen und Autoren

Eric Beltermann
Entwicklung
Manuel Kostrzynski
Artdirektion
Helena Wittlich
Text & Recherche
Veröffentlicht am 22. Januar 2021.
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