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Fertigessen, Käse, Zigaretten

Mit diesen Lebensmitteln versorgt Deutschland die Welt

Deutschland ist einer der größten Nahrungsmittel-Exporteure der Welt. In welche Länder wird am meisten exportiert? Und was?
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Der Welthandel soll in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 weiter an Schwung verlieren. Auch für 2023 sehe es nicht gut aus. Das erklärte die Welthandelsorganisation kürzlich. Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Nachwirkungen der Corona-Pandemie: All das destabilisiert den Welthandel.

Wo steht die Exportnation Deutschland in dem weltweiten Gefüge gegenseitiger Handels-Abhängigkeiten? Daten der Welternährungsorganisation des vergangenen Jahrzehnts (2011 bis 2020) zeigen, welche Nahrungsmittel und landwirtschaftlichen Erzeugnisse am wichtigsten für den deutschen Export sind und wie sich der Handel mit ihnen entwickelt.

Nur fünf Produkte bringen 25 Prozent der Lebensmittel-Exporteinnahmen

2020 exportierte Deutschland 350 Lebensmittel in 186 Länder. Damit nahmen Händler 79,24 Milliarden US-Dollar ein, zwischen 2011 und 2020 waren es durchschnittlich 78,48 Milliarden pro Jahr. Die wichtigste Produktgruppe waren sogenannte „Lebensmittelzubereitungen“. Dazu gehören etwa Suppen, Brühen, Ketchup, Saucen, Würzmittel, Essig und Hefe, aber auch Dinge wie gefüllte Pasta. Fertigessen also.

Was Deutschland am meisten exportiert
Lebensmittelexporte Deutschlands im Jahr 2020, nach Kategorie in Milliarden US-Dollar. Nur die Top 30 aller Kategorien werden angezeigt, alle anderen sind als „Sonstige“ zusammengefasst

Die zweitwichtigste Produktgruppe: „Schokoladenerzeugnisse“ (4,6 Milliarden US-Dollar Umsatz im Zehn-Jahres-Mittel), also etwa gesüßtes Kakaopulver, Schokolade und andere kakaohaltige Lebensmittelzubereitungen. Am drittwichtigsten war „Käse aus Kuh-Vollmilch“ (4,2 Milliarden). Darauf folgen Zigaretten mit 30,98 Milliarden US-Dollar Einnahmen sowie Backwaren mit durchschnittlich drei Milliarden.

Die fünf oben genannten Erzeugnisse machten in dem untersuchten Jahrzehnt etwa 25 Prozent aller Exporte aus. Mehr als die Hälfte der Einnahmen stammt aus dem Handel mit nur 20 Produkten. Die deutsche Lebensmittelindustrie ist stark standardisiert. Und es sind vor allem verarbeitete Lebensmittel. Viele außereuropäische Länder hingegen exportieren in erster Linie „Agrar-Rohstoffe“ wie Weizen, Mais oder Kakao.

Deutschland exportiert vor allem in EU-Länder

Wie wir in einem früheren Artikel erklärt haben (hier zu finden), ist Deutschlands internationaler Handel stark von der EU-Integration bestimmt. Zehn der elf wichtigsten Zielländer deutscher Lebensmittel-Exporte waren andere EU-Staaten, dazwischen liegt auf Platz fünf Ex-EU-Mitglied Großbritannien. Zusammen machten diese elf Länder von 2011 bis 2020 68 Prozent der deutschen Export-Einnahmen aus. Insgesamt verdankt Deutschland rund 80 Prozent seiner Export-Einnahmen EU-Ländern.

In diese Länder exportiert Deutschland die meisten Lebensmittel
Die Grafik zeigt die Gesamtexporte 2020 in Milliarden US-Dollar nach Zielland.

Von Waren im Wert von insgesamt 79,24 Milliarden US-Dollar gingen 2020 nur 13,36 Milliarden, also 16,9 Prozent, in Länder außerhalb Europas. Mit Blick auf Gesamt-Europa ist es ähnlich: Europäische Staaten lieferten Lebens- und Futtermittel im Wert von 476,29 Milliarden US-Dollar in andere europäische Länder. Dagegen verließen nur Waren für 170 Milliarden US-Dollar Europa.

Die meisten Exporte Deutschlands und anderer EU-Mitglieder decken also den Bedarf auf dem eigenen Kontinent. Bei den Importen ist das ähnlich. Europäische Länder sind voneinander abhängig, von außereuropäischen weniger – zumindest, was den Lebensmittel-Handel angeht.

Die Exporte ins nicht-europäische Ausland gehen größtenteils in wenige Länder, 32 Prozent davon etwa in die USA und nach China. Das erklärt recht eindrücklich, warum es in Europa derzeit keine Lebensmittelknappheit aufgrund der Ukraine-Krise gibt. Und warum die Angst vor einer Hungersnot fehl am Platze wäre.

Die Niederlande und Deutschland

Die Niederlande sind Deutschlands größter Lebensmittel-Exportpartner mit einem durchschnittlichen Exportvolumen von 10,8 Milliarden US-Dollar pro Jahr, 13,8 Prozent aller deutschen Exporte. In den vergangenen zehn Jahren exportierte Deutschland 331 Produkte in die Niederlande. Die wichtigsten: Hühner, Kuh-Käse, Lebensmittelzubereitungen, Rapsöl und „rohes organisches Material“. Letzteres sind alle Lebensmittel, die die Welthandelsorganisation nicht näher klassifiziert.

Von diesen Lebensmitteln wird aber nur ein Teil wirklich in den Niederlanden verspeist. Mit ihrem großen Hafen in Rotterdam ist es Deutschlands Tor zum Weltmarkt. Das ist der wahre Grund für die großen Exportmengen in die Niederlande. Daher ist es auch interessant, sich anzusehen, in welche anderen Länder die EU insgesamt am meisten exportiert. Hier liegen interessanterweise die USA und China izwischen gleichauf bei Lebensmitteln und anderen Agrarprodukten.

In diese Länder exportiert Europa die meisten Lebensmittel
Gesamtexporte 2020 in Milliarden US-Dollar

Deutschland und der Krieg in der Ukraine

Nur 0,51 Prozent der deutschen Exporte gingen während des vergangenen Jahrzehnts in die Ukraine. Die Hälfte davon entfiel auf neun Produkte: Kaffee-Extrakte, Lebensmittelzubereitungen, Tabak, Raps- und Rübensamen, Ethylalkohol, Hühner, organisches Rohmaterial, Schokoladenerzeugnisse und Kaffee. Der größte Posten, die Kaffee-Extrakte, sank kontinuierlich von 18,89 Prozent im Jahr 2011 auf 9,17 Prozent 2020.

Nach der Krim-Annexion 2014 sanken die deutschen Lebensmittelexporte in die Ukraine im darauffolgenden Jahr um 38,84 Prozent. 2020 lag der Exporthandel in die Ukraine weiterhin 7,7 Prozent unter dem Niveau von 2014.

Die russische Invasion in die Ukraine hat 2022 zu weiteren Reduktionen des Exportvolumens in die Ukraine geführt. Deutschlands Exporte von Kaffee, Tee und Mate in die Ukraine sanken von 1,7 Millionen US-Dollar 2021 auf 354.000 in 2022. In den vergangenen Monaten haben die Exporte in die Ukraine aber stetig wieder zugenommen. Ob das an Hilfslieferungen oder Marktdynamiken liegt ist bislang schwer zu beurteilen.

Politische Konflikte formen den Weltmarkt

Konflikte verändern, wie Länder miteinander handeln. Deshalb stellt der Ukraine-Krieg den internationalen Lebensmittelmarkt vor Herausforderungen. Nach der Krim-Annexion 2014 war das an den deutschen Schweine-Exporten beobachtbar. Russland wurde vom Käufer zu einem Konkurrenten auf dem internationalen Markt für Schweinefleisch.

„Schweinefleisch (ohne Knochen, frisch oder gekühlt)“ bringt Deutschland hohe Einnahmen: durchschnittlich 2,39 Milliarden US-Dollar jährlich. Es machte 3,12 Prozent aller Lebensmittelexporte im vergangenen Jahrzehnt aus, war damit das siebtwichtigste Lebensmittel. Noch 2012 hatte Russland mit 0,29 Milliarden US-Dollar das meiste davon abgenommen, 2013 lag nur Polen weiter vorne. Im Jahr der Krim-Annexion 2014 verhängte Russland ein Einfuhrverbot für Lebensmittel aus westlichen Ländern. Die deutschen Schweinefleisch-Exporte nach Russland wurden gestoppt. Bis heute. 2015 folgte Belarus.

Das Verbot führte dazu, dass Russland seine eigene Schweinefleisch-Industrie entwickelte. Inzwischen ist das Land ein beachtlicher Produzent und exportiert Schweinefleisch im Wert von schätzungsweise 300 Millionen US-Dollar (2020). Das ist zwar wenig im Vergleich zu Deutschland, aber die russische Schweinefleisch-Industrie könnte durchaus weiterwachsen. China ist beispielsweise einer der wichtigsten Schweineimporteure der Welt.

Auf der Kippe: Deutsche Zigaretten-Exporte

Es gibt eine Ware, deren Ausfuhr stark zurückgegangen ist: deutsche Zigaretten. Deutschland ist einer der größten Zigarettenexporteure, beherbergt Produktionsstätten von Philip Morris, British American Tobacco und Imperial Brands. Dazu kommen deutsche Zigarettenmarken wie Pöschl Tabak, die unter anderem Pueblo als Marke führen, aber laut Unternehmensangaben auch 50 Prozent des Schnupftabaks weltweit produzieren.

Zwar ist das Exportvolumen mit 30 Milliarden US-Dollar von 2011 bis 2020 weiterhin beträchtlich. Es schrumpft allerdings schnell – innerhalb eines Jahrzehnts von 3,9 auf 1,3 Milliarden US-Dollar jährlich. Das ist eine Reaktion auf neue deutsche Steuern für Zigaretten, aber auch auf EU-Rechtsvorschriften und Subventionen. Das Ende der EU-Tabaksubventionen 2020 etwa veranlasste Landwirte, den Tabak-Anbau zu reduzieren. Statt auf 2620 Hektar 2011 pflanzten sie 2020 nur noch auf 1500 Hektar Tabak an.

Dennoch gehen sowohl Zigarettenexport als auch Zigarettenkonsum in Deutschland weniger stark zurück als anderswo. 2019 hieß es in einem Bericht des Verbands der Europäischen Krebsligen: „Seit 2010 wurden keine neuen Maßnahmen zur Tabakkontrolle eingeführt, abgesehen von der Umsetzung der EU-Tabakproduktrichtlinie von 2014 und der Ratifizierung des FCTC-Protokolls der WHO zum illegalen Handel. Deutschland ist das einzige EU-Land, das noch immer Tabakwerbung auf Plakatwänden zulässt. Zwar gibt es Initiativen für ein Werbeverbot, aber mit langen Übergangsfristen.“ 2022 änderte sich das, Außenwerbung für Tabakerzeugnisse wurde eingeschränkt.

Ist der Eurozentrismus der deutschen Lebensmittelexporte problematisch?

Dass deutsche Lebensmittel vor allem in andere EU-Staaten exportiert werden, ist weder einfach gut noch schlecht. Ein Vorteil: Der deutsche Lebensmittelhandel ist vom Krieg in der Ukraine oder von anderen weltweiten Konflikten nur wenig betroffen, denn die Bundesrepublik hat keine großen Exportabhängigkeiten bei Nahrungsmitteln.

Das gilt allerdings nicht für Futtermittel, also Tierfutter. Hier ist Deutschland stark von beiden Ländern abhängig. Deshalb wird auch Rindfleisch, Butter oder Käse gerade besonders viel teurer. Kühe brauchen sehr viel mehr Futter als andere Nutztiere. Der Krieg bereitet Landwirten Schwierigkeiten, insbesondere auch Schweinezüchtern. Denn die mussten mit steigenden Futterpreisen umgehen und mit der Sorge, dass Verbraucher dazu übergehen könnten, Schweinefleisch aus anderen Ländern zu kaufen.

Insgesamt sind die deutschen Handelsinteressen besonders von Hafenstaaten wie Italien und den Niederländern sowie von Nachbarländern wie Frankreich, Österreich, dem Vereinigten Königreich und Polen abhängig.

Solange es unter diesen Ländern ausreichend Abnahme für Lebensmittel gibt, muss sich die Lebensmittelindustrie in Deutschland keine großen Sorgen machen. Das Beste, was man hierzulande tun könnte, wäre: die Abhängigkeiten innerhalb der deutschen Tierfutter-Lieferkette verkleinern, die der Krieg aufgezeigt hat. Oder eben: weniger Fleisch verbrauchen.

Das Team

Vihang Jumle
Text und Recherche
Nina Breher
Übersetzung
Hendrik Lehmann
Redigatur, Produktion
Lennart Tröbs
Grafiken
Veröffentlicht am 18. November 2022.
Zuletzt aktualisiert am 26. November 2022.
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