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EACOP-Pipeline durch Ostafrika

Wer profitiert vom neuen Öl?

Aktivistin Luisa Neubauer will die Pipeline stoppen. Ugandas Präsident und TotalEnergies versprechen Aufschwung für das Land. Eine investigative Analyse zeigt: Die Bevölkerung wird wenig gewinnen.
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Aktivistin Luisa Neubauer will die Pipeline stoppen. Ugandas Präsident und TotalEnergies versprechen Aufschwung für das Land. Eine investigative Analyse zeigt: Die Bevölkerung wird wenig gewinnen.
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Im April 2022 steht Ernest Rubondo, Geschäftsführer der ugandischen Erdölbehörde, in einem großen Konferenzraum in Kampala. Er zeigt auf die anderen Männer auf der Bühne. „Mein Bruder hier von [TotalEnergies] vertritt ein Unternehmen, das 150 Milliarden Dollar wert ist. Unser Freund von CNOOC vertritt ein Unternehmen, das über 50 Milliarden Dollar wert ist“, sagt Rubondo. „Sie können sich sicher sein, dass auch unser Land etwas davon abbekommen wird.“

Uganda ist eines der ärmsten Länder der Welt. Der Einstieg ins Ölgeschäft soll endlich Wohlstand bringen. In Nigeria, dem größten Ölproduzenten Afrikas, wurden diese Hoffnungen enttäuscht. Uganda will es besser machen. Ab 2025 soll Rohöl durch die East African Crude Oil Pipeline, kurz: EACOP, fließen. Sie wäre die längste beheizte Pipeline der Welt.

Heftige Kritik kommt von Klimaaktivistinnen wie Luisa Neubauer, aber auch von Umweltschützerinnen und Menschenrechtlern vor Ort. Das Fördergebiet ist eine der artenreichsten Regionen Afrikas. Zehntausende werden enteignet oder umgesiedelt. Dagegen stehen die Versprechen, dass der Ölreichtum dem Land endlich aus der Armut helfen könnte – und aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit in nahezu allen Sektoren. Immer wieder werden die vielversprechenden Zahlen von Konzernvertretern und Präsident Yoweri Musevenis Regierung heraufbeschworen. Es geht um Steuereinnahmen, Arbeitsplätze und Wirtschaftsentwicklung.

Wie realistisch sind solche Versprechen? Bei der Frage geht es um mehr als ein kleines ostafrikanisches Land. Die Invasion der Ukraine befeuert weltweit das Interesse an neuen Ölfördergebieten. Viele davon liegen in ärmeren Staaten mit autoritären Regierungen und schwachen Umweltschutzgesetzen. Aber soll man den Menschen dort deshalb die Chance verwehren, aus der Armut zu kommen? Anhand von Unternehmensdaten, Beteiligungen und Regierungsberichten zeigen wir deshalb, wie realistisch die Versprechen sind und wer wirklich von dem Projekt profitiert. Will man wissen, wer an einem Ölprojekt gewinnt, ist die erste Frage, wer eigentlich wirtschaftlich hinter dem Projekt steckt. Und wo damit die meisten Gewinne landen.

Die Norges Bank betont, verantwortungsvoll zu investieren, auch den Klimawandel sehe man als Risiko, heißt es in einer Broschüre. Einige Firmen mit besonders hohen Emissionen habe man aus dem Portfolio ausgeschlossen. Total offenbar nicht. Auch Blackrock-CEO Larry Fink schrieb 2022 an seine Shareholder, dass die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft die größte Investitionsmöglichkeit des Lebens schaffen würde. Trotzdem hält Blackrock an seinen Ölinvestments fest.

Diese internationalen Anteilseigner verteilen die Gewinne aus dem ugandischen Ölprojekt in die ganze Welt. Nach Norwegen, in die USA, aber auch nach Deutschland. Vor allem die Indexfonds, ein beliebtes Produkt der Vermögensverwalter, sogenannte ETFs, finden sich in zahlreichen Sparplänen von Deutschen – und in vielen privaten Altersvorsorgen. Wenn Total Gewinne macht, zum Beispiel aus ugandischem Öl, fließt ein Teil davon in die Renten in den USA und Europa.

Immerhin: 2012 verhandelte Uganda mit den beteiligten Firmen, dass bei Ölprojekten, die mehr als 350 Millionen Barrel im Land fördern, der Staat mit 15 Prozent beteiligt ist. Ugandas Bürgerinnen und Bürger bekommen also ganz genau den Mindestanteil. Obwohl es ihr Land ist, das alle Umweltrisiken trägt. Zum Vergleich: In Norwegen fließt die Mehrheit der Gewinne aus dem Öl in den Staatsfonds.

Es wäre allerdings zu eindimensional, nur nach den Beteiligungen an einem Projekt zu fragen. Denn selbst 15 Prozent an dem Ölprojekt ist wesentlich mehr als Ugandas Staatshaushalt sonst so einnimmt. Vor allem aber hat ein Industrieprojekt das Potenzial, bessere Jobs zu schaffen. Aber für wen – und wie lange?

Diese Prognosen beziehen sich auf alle drei Projekte. In der Antwort auf eine Tagesspiegel-Anfrage spricht Total von 80.000 direkten und indirekten Arbeitsplätzen allein für EACOP und Tilenga. Etwa 3000 sind langfristig angelegt. „Die Realität ist, dass die Mehrheit der Bevölkerung, mit der wir arbeiten, die Projekte befürwortet. Tilenga und EACOP werden dazu beitragen, ihre Lebensbedingungen deutlich zu verbessern“, schreibt ein Sprecher von Total.

Inwieweit profitieren die Menschen von befristeten Arbeitsplätzen? Wie verlässlich sind Prognosen, die darauf basieren, dass Menschen ihr Einkommen vor Ort ausgeben? Außerdem sagen diese Zahlen nichts über die Nationalität der künftigen Mitarbeiter aus. In Prognosen von Total und CNOOC, die von ugandischen Ministerinnen und Ministern häufig zitiert werden, heißt es, etwa 57 Prozent der direkten Arbeitsplätze gingen an ugandische Menschen – also gerade einmal gut die Hälfte.

Der Geschäftsführer der ugandischen Erdölbehörde (PAU) Rubondo zeigt sich optimistisch. Etwa ein Viertel der 3,5 Milliarden Dollar, die in die aufstrebende Öl- und Gasindustrie Ugandas in den letzten zwei Jahrzehnten investiert wurden, wurde laut PAU im Land gehalten. Uganda strebe an, 40 Prozent des gesamten Projektwerts im Land zu halten, sagt PAU-Geschäftsführer Rubondo.

Julius Byaruhanga, Dozent an der Cavendish University Uganda, sieht das kritisch. „Die angestrebten 40 Prozent der Wertschöpfung in Uganda sind nicht realistisch“, sagt er. Das habe auch einen praktischen Grund: „Die meisten Unternehmen in Uganda sind nicht in der Lage, Aufträge in Höhe von Hunderten von Millionen Dollar zu übernehmen.“

Also bleibt die dritte wesentliche Frage: Welche Firmen bauen und betreiben das Projekt vor Ort? Hunderte Eintragungsurkunden, Jahresabschlüsse, Dokumente zu Firmenbeteiligten und Pressemitteilungen später kommen Zweifel auf, wie realistisch es ist, dass wirklich viel Wissen und Wirtschaft vor Ort aufgebaut werden. Und ob einige der „ugandischen“ Unternehmen wirklich ihre Gewinne im Land halten.

Joseph Mukasa Ngubwagye, Koordinator der Civil Society Coalition on Oil and Gas (CSCO), setzt sich für Transparenz in der Öl- und Gasindustrie ein. „Es gibt Unternehmen, deren Eigentumsverhältnisse wir nicht kennen“, sagt er. „Einige Firmen scheinen ugandisch, aber die Leute, denen sie gehören, sind keine Ugander.“

Wer herausfinden will, wem die Anteile an ugandischen Unternehmen gehören, muss das „Uganda Registration Services Bureau“, vergleichbar mit dem deutschen Handelsregister, persönlich aufsuchen und im Voraus für die Unterlagen der einzelnen Unternehmen bezahlen. Nicht alle Unterlagen sind auf dem neuesten Stand, einige unvollständig. Und der darin genannte Eigentümer kann ein anderer sein als der tatsächliche „wirtschaftliche Eigentümer“. Das macht es noch schwerer, die Versprechen der Unternehmen und der Regierung zu prüfen.

Um als ugandisches Unternehmen zu gelten, müssen 70 Prozent der Beschäftigten ugandisch sein und es muss ugandische Waren und Dienstleistungen verwenden. Das gibt eine Regelung der Regierung vor. Das ermögliche es den Unternehmen, Uganderinnen und Ugander als „Reinigungskräfte, Lkw-Fahrer und für andere einfache Tätigkeiten“ anzustellen, sagt Byaruhanga. Das Management und technische Positionen würden derweil oft mit ausländischen Menschen besetzt.

Genau hier liegt der Unterschied, wie viel die Leute vor Ort profitieren können: Ein Lkw-Fahrer verdient in Uganda in der Regel 200 Dollar im Monat, eine Öl- und Gasingenieurin in der Regel das Dutzendfache dieses Gehalts. Schlupflöcher wie diese, sagt Byaruhanga, hätten zur Folge, dass die Versprechen von Ugandas Ölbehörde nicht unbedingt die Realität spiegeln.

Welche Rolle spielt Vettern­wirtschaft?

Für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes ist es nicht nur relevant, woher jemand kommt, der dort ein Unternehmen leitet oder besitzt. Es müssen sich alle gleichermaßen auf die Ausschreibungen bewerben können – sonst besteht die Gefahr von Korruption. Beispiele deuten jedoch in eine andere Richtung. Wesley Musinga, der Finanzmanager von GCC Services, ist laut der ugandischen Tageszeitung „New Vision“ ein Schwiegersohn von Elly Karuhanga. Der ist laut der News-Website „African Intelligence“ ein ehemaliger Berater von Präsident Museveni und ehemaliger Vorsitzender der ugandischen Bergbau- und Erdölkammer. Derselbe Karuhanga war übrigens auch Präsident von Tullow Oil, der Firma, die ursprünglich Öl in Uganda entdeckt hatte, bevor die Firma ihre Anteile an Total verkaufte.

Das Bauunternehmen Civtec wurde 2015 von Castro Taremwa mitgegründet. Sein Vater Barnabas Taremwa ist ein Bruder von Jovia Saleh, die mit dem Bruder von Präsident Museveni, Salim Saleh, verheiratet ist. So berichtet es die Ugandische Zeitung „Daily Monitor“. Ein weiterer Anteilseigner ist Hussein Kashillingi, ein ehemaliger Rechtsberater Musevenis.

Bei der Recherche nach Verbindungen zur Regierung taucht noch ein interessantes Unternehmen auf: Atacama Consulting. Atacama wurde für das Tilenga-Projekt von Total mit dem Landerwerb und der Umsiedlung von Projektbetroffenen beauftragt. Den Aussagen von zahlreichen Vertriebenen zufolge sieht Atacama sich mit heftigen Vorwürfen der Einschüchterung und verspäteten Entschädigungszahlungen konfrontiert. Dasselbe gilt für Newplan Ltd. und Infra Consulting Services, die sich entlang der EACOP-Route in Uganda um Landerwerb kümmern. Alle drei Firmen sind in ugandischer Hand. Für die Firma Atacama gibt es vor Ort Spekulationen, dass sie ebenfalls mit Verwandten des Präsidenten in Verbindung steht. Ob das wahr ist, ließ sich nicht unabhängig überprüfen. Eine Suche nach den Firmendokumenten von Atacama Consulting brachte ungewöhnlich wenige Ergebnisse hervor.

Dass ausgerechnet die Umsiedlung und Enteignung von ugandischen Unternehmen erledigt wird, ist interessant: Die ertragreichen und sauberen Jobs werden vielfach von internationalen Ingenieuren erledigt. Aber die rechtlich heikle Aufgabe von Enteignungen für die Bauflächen der Förderung und Pipeline wird von ugandischen Akteuren erledigt.

Von den hundert Verträgen, die PAU im Jahr 2021 und im ersten Quartal 2022 vergeben hat, ging weniger als ein Fünftel des Vertragswerts an ugandische Unternehmen. So steht es auf den Folien, die Rubindo auf dem ugandischen Öl- und Gaskongress Anfang 2022 präsentierte. Man erwarte, dass mit Beginn der Arbeiten mehr ugandische Unternehmen Unterauftragnehmer werden, so Gloria Sebikari, Public Relations Manager der PAU. „Alle Auftragnehmer fügen ihrem Angebot einen Plan mit nationalen und kommunalen Inhalten bei“, sagt sie. Per Gesetz sind sechzehn Sektoren für ugandische Arbeitskräfte reserviert – unter anderem Unterkunft, Catering, Sicherheit, Bauarbeiten und Landvermessung.

Die Schlupflöcher

Aber ist ein internationales Unternehmen nicht in der Lage, einheimische Auftragnehmer zu finden, kann es in andere Länder vergeben. Daran könnte das Ziel der PAU, 40 Prozent des Wertes des Ölprojekts im Land zu halten, scheitern. Das vermutet zumindest ein deutscher Anwalt und Branchenexperte. Er möchte anonym bleiben – aus Angst, seinen Arbeitsplatz zu verlieren –, ist dem Tagesspiegel aber bekannt. Lieferketten-Probleme haben dazu geführt, dass die Kosten für die EACOP-Pipeline in den vergangenen Monaten von 3,5 Milliarden auf fünf Milliarden Dollar gestiegen sind. Je mehr die Kosten anschwellen und je größer der Zeitdruck wird, desto mehr steigt das Risiko, dass die Aufträge an nicht-ugandische Unternehmen gehen, erklärt der Branchenexperte. Denn erfahrene internationale Unternehmen könnten meist spontaner einspringen.

Bleiben die Einnahmen, die der Staat mit dem Öl machen wird. Die sollen verpflichtend in die Entwicklung des Landes fließen. Aber jüngste Gesetzesanapassungen haben dazu geführt, dass die Uganda National Oil Company (UNOC) ihr Geld nun ohne parlamentarische Kontrolle ausgeben kann. Die schreibt der ugandische Ölfonds eigentlich vor, dessen Aufgabe ist, zu vermeiden, dass der Ölreichtum weniger Wirtschaftswachstum schafft, als er sollte. Der Ölfonds gibt vor, dass diese Gelder einzig für entwicklungsbezogene Investitionen ausgegeben werden sollen. Der anonyme Anwalt sagt: „Wie können wir angesichts des Ausmaßes der Korruption einer Institution vertrauen, die Millionen von Dollar in unserem Namen verwaltet?“ Laut Berichten der ugandischen Zeitung „The Daily Monitor“ gibt es bereits Anzeichen dafür, dass die Regierung Geld aus dem Fonds abgezweigt hat, um allgemeine Haushaltslücken zu schließen.

Klimaaktivistinnen in Afrika
Über das Projekt

Das Projekt

Dieser Artikel ist Teil einer einjährigen Recherche zu den Folgen des Klimawandels in besonders betroffenen Regionen in Afrika. Dabei liegt der Hauptfokus auf Klimaaktivistinnen, die vor Ort versuchen, Probleme aufzuzeigen und Lösungen zu finden.

Die globale Klimabewegung wird von jungen Frauen geprägt. Hierzulande stehen Aktivistinnen wie die Schwedin Greta Thunberg im Vordergrund - oder Luisa Neubauer, das deutsche Gesicht von „Fridays for Future“. Ihre Mistreiterinnen aus Afrika werden oft übersehen, dabei sind ihre Länder schon heute viel stärker von der Klimakrise betroffen.

Im Rahmen des Projekts A Female Fight for the Future begleitet der Tagesspiegel ein Jahr lang Klimaaktivistinnen in afrikanischen Ländern und visualisiert klimarelevante Entwicklungen. Wir schauen uns Projekte vor Ort an, mit denen der Klimawandel bekämpft werden soll, zeigen, wie sich neue politische Netzwerke bilden und zeigen, wo Menschen schon heute besonders unter der ökologischen Krise leiden.

Alle bisherigen Artikel aus der Serie finden Sie auf der Projektseite.

Die Finanzierung

Das Rechercheprojekt wird vom European Journalism Centre im Rahmen des European Development Journalism Grants Programms finanziert. Unterstützt wird dieses Programm von der Bill&Melinda Gates Stiftung.

Das Team

Nina Breher
Text & Recherche
Tamara Flemisch
Webentwicklung
Hendrik Lehmann
Konzept & Redigatur
Thomas Lewton
Text & Recherche
David Meidinger
Webentwicklung
Khatondi Soita Wepukhulu
Text & Recherche
Thomas Weyres
Artdirektion
Helena Wittlich
Text & Koordination der Recherche
Veröffentlicht am 22. Juni 2022.
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