In Daeng Khamlaos Kindheit wuchs Zitronengras hinter ihrem Sofa. Als sie vier Jahre alt war, zog sie mit ihrer Mutter aus Thailand in die hessische Provinz. Ihre Mutter musste sich eine Menge einfallen lassen, um dort die Gerichte aus ihrer Heimat zu kochen. Der nächste Asiamarkt war eineinhalb Stunden Fahrt entfernt. Also baute sie Kräuter in ihrer kleinen Wohnung an: Zitronengras, Galgant, Koriander. Notfalls in Kästen hinter der Couch.
Heute, 35 Jahre später, gehört Daeng Khamlao ein Restaurant am Lausitzer Platz in Kreuzberg: The Panda Noodle. Zur Begrüßung zwinkert ein Panda aus Neonröhren, bunte Plastikhocker stehen an weißen Tischen, dazu Glitzergirlanden, Lichterketten, thailändische Poster. Im Panda Noodle serviert Khamlao Thai-Gerichte, Suppen oder Chicken Rice, aber auch chinesische Nudeln. Meistens steht sie selbst in der Küche. Vorher hat sie in der Modeszene gearbeitet, man sieht es noch heute ihren ausgesuchten Outfits an. Für Essen hat sie sich schon immer begeistert.
Wegen Gastronom:innen wie ihr hat sich Berlin zu einer der spannendsten kulinarischen Szenen Europas entwickelt. Nicht nur, weil inzwischen mehr Sterne an Berliner Läden vergeben werden und boomende Startups zahlungskräftigeres Publikum in die Stadt gebracht haben. Sondern weil heute im Vergleich zu 2009 gut zehn Prozent mehr Menschen in Berlin leben, die Eltern oder Pässe aus anderen Ländern haben. Und die machen das, was Menschen schon immer gemacht haben: Sie setzen sich zusammen an den Tisch, kochen ihre Rezepte und reden darüber. So entsteht jeden Tag die Küche der Zukunft.
Daneben drängt gerade ein zweites globales Phänomen an die Berliner Tische: die Klimakrise. In zehn Jahren werden wir nicht mehr so Essen können wie heute, sagt die Klimaforschung. Denn Ernährung ist für 34 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Auch hier entwickelt sich Berlin zum Experimentierfeld. Die Markthalle IX, die regionale und saisonale Lebensmittel nach Kreuzberg bringt. Vegane Würste, Bio-Burger oder radikal-regionale Luxusrestaurants. Der Klimawandel revolutioniert die Gastroszene.
„Wo hab’ ich da meinen Platz?”, fragt Daeng Khamlao. Während einige Nobelrestaurants nun regionales Wildschwein an saisonalen Rüben servieren, ist es beim traditionellen thailändischen Som-Tam-Salat unmöglich, die dafür nötigen Papaya aus Brandenburg zu beziehen. Viele Zutaten werden aus Asien importiert. „Und bin ich voll die Umweltsau, weil ich auf meine Fischsauce nicht verzichten kann?”, fragt Khamlao. „Für wen ist die regional, bio, lokale Küche eigentlich umsetzbar?” Gleichzeitig hat sie keine Lust, dass Teile der Welt überschwemmt werden – nur „damit ich das Essen meiner Heimat kochen“ kann.
Der Tagesspiegel hat sich mit ihr auf die Suche nach Berlins Küchen der Zukunft begeben und eine YouTube-Serie über ihre Reise gedreht – gemeinsam mit der Berliner Filmproduktionsfirma Schuldenberg Films. Eine Reise durch fünf Küchen, über Thailand nach Indien, Afrika und wieder zurück. Wir wollten herausfinden, welche weniger bekannten Länderküchen hier inzwischen schon gekocht werden, wie Essen mit dem Klima zusammenhängt und ob es tatsächlich einen Widerspruch zwischen internationaler Küche und klimafreundlicher Ernährung gibt.
In der Küche ihres Restaurants trifft Daeng Khamlao eine, die dazu viel sagen kann. Ann-Cathrin Beermann forscht am Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft zu Klimaauswirkungen von Ernährung und Landwirtschaft. Daeng Khamlao kocht ihr Thom Kha Hed, eine thailändische Suppe aus Galgant, Zitronengras und Pilzen.
Sind regionale Zutaten grundsätzlich besser für das Klima? So einfach ist das nicht, sagt Beermann. Tomaten etwa stoßen laut Analysen 35 Gramm CO2-Equivalente pro Kilo aus, wenn sie aus Deutschland kommen. Greift man zur Tomate aus Spanien, werden durchschnittlich 600 Gramm CO2 emittiert. Der Unterschied entsteht vor allem durch den Transport. Das gilt aber nur für den Sommer, im Winter dreht sich das Verhältnis um. Die CO2-Bilanz der spanischen Tomate bleibt da ungefähr gleich, die der deutschen Tomate steigt auf 9300 Gramm CO2, weil die Gewächshäuser beheizt werden. Und das braucht weit mehr Energie.
Mit vielen asiatischen Produkten ist es ähnlich. Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg hat das für Papaya berechnet. Werden Papaya mit dem Schiff hertransportiert, kommen sie auf 400 Gramm CO2-Equivalente. Papaya werden teils aber auch eingeflogen. Dann sind es 14 Kilo CO2. Erst Anbaugebiet, Anbauweise, Transport, Jahreszeit und Weiterverarbeitung zusammen ergeben die Klimabilanz von Lebensmitteln.
Im Preis spiegelt sich das nicht unbedingt wider. Importierte Lebensmittel sind oft sogar billiger. Wie kann das sein? „Der Preisunterschied liegt in erster Linie bei den Lohnkosten”, sagt Beermann. Ungefähr zwei Drittel der Lebensmittel in Deutschland würden importiert, ein Drittel davon aus Spanien. Dort liegt der Mindestlohn bei 5,76 Euro. In vielen asiatischen Ländern wird noch weniger Lohn bezahlt. „Das Ziel sollte nicht sein, die regionalen Lebensmittel noch billiger zu machen, sondern die Klimafolgekosten von den importierten Lebensmitteln einzupreisen”, sagt Beermann. Dann hätten Gastronom:innen wie Daeng Khamlao die Möglichkeit, regionales Essen anzubieten, ohne den enormen Preisdruck.
Daeng Khamlao beschäftigt sich nicht nur in ihrem Job mit Essenskultur, mit vielen Berliner Gastronominnen ist sie auch befreundet. Eine davon ist Kavita Meelu. Die gebürtige Engländerin mit indischen Eltern ist eine leidenschaftliche Netzwerkerin migrantischer Esskultur in Berlin. Sie ist Anthropologin, hat den internationalen Street Food Thursday in der Markthalle IX mitbegründet und das Gastro-Kollektiv „Smells Like”. Vor allem aber kennt sie sich sehr gut mit indischer Küche aus – und mit den Klischees darüber.
Sie trifft uns in einem kleinen indischen Restaurant an der Hasenheide, gelber Schal, gewinnendes Lächeln. Apropos Klima: Indisches Essen müsste doch eigentlich klimafreundlicher sein als andere Küchen. Kühe sind heilig und die meisten Leute vegetarisch. „Ein großer Mythos“, sagt Meelu: Es lebten in Indien mit seiner Milliarden-Bevölkerung nun mal nicht nur Hindus, sondern auch Muslime, Christen und andere Religionen. Und selbst unter Hindus sei Vegetarismus eher mit höheren Kasten verbunden. Untere Kasten essen oft Fleisch. Wahr sei allerdings, dass es in vielen Communities sozial weniger akzeptiert ist, Rind zu essen. Im globalen Vergleich wird daher in Indien vergleichsweise wenig Fleisch gegessen. Und es haben sich gleich mehrere vegetarische Restaurantketten etabliert.
Eine davon hat es kürzlich auch an den Potsdamer Platz geschafft: Das Saravanaa Bhavan, nach eigenen Angaben die größte südindische Restaurantkette der Welt und die nächste Station von Daeng Khamlao und Kavita Meelu. Der Andrang ist riesig, nicht nur bei der wachsenden indischen Community Berlins. In der offenen Küche zischt Öl in Pfannen, auf der größten Kochplatte bereitet ein Koch die beliebteste Spezialität der Karte zu: Dosas, gigantische Fladen aus Reis und Urd-Bohnen, die leicht fermentiert werden. Die gibt es in dutzenden Geschmacksrichtungen und verschiedensten Füllungen. Außerdem gibt es Medhu Vada, Donuts aus Linsenmehl, oder Idli, flachrunde Küchlein.
Die Gerichte hier sind tatsächlich kein Problem fürs Klima, sondern schon eine mögliche Lösung: Mithilfe einer Datenbank der Firma Eaternity lässt sich die Klimabilanz von Gerichten ermitteln. Ein Dosa verbraucht demnach circa 200-400 Gramm CO2 pro Portion. Zum Vergleich: Ein Chicken Tikka Masala kommt auf 900 Gramm, eine Currywurst mit Pommes auf 1700, ein Wiener Schnitzel mit Pommes sogar auf 5800 Gramm. Der Hauptunterschied ist das Fleisch. Ob die Zutaten importiert werden, macht im Vergleich dazu wenig aus – zumindest, wenn sie nicht eingeflogen werden.
Sophia Hoffmann steht in der Küche ihrer Friedrichshainer Altbauwohnung und hackt Radieschenblätter. Die kommen später über ihren Kürbissalat – und sind Teil ihrer Philosophie: Leaf to Root, vom Blatt bis zur Wurzel alles verarbeiten. Das ist ein Teil der „Zero Waste Küche“, die sie vertritt. Der veganen Köchin und Aktivistin folgen auf Instagram fast 30 000 Menschen.
Laut Ernährungsreport verdoppelte sich der Anteil der Veganer:innen in Deutschland vom Jahr 2020 zum Jahr 2021 von ein auf zwei Prozent, die Zahl der Vegetarier:innen stieg sogar von fünf auf zehn Prozent. Und 54 Prozent gaben an, dass sie auch aus Klimagründen auf tierische Produkte verzichten. Den veganen Lebensstil sieht Sophia Hoffmann nicht als Trend, sondern als „Reaktion auf den Status Quo“: Auf qualvolle industrielle Tierhaltung, Lebensmittelskandale, Klimawandel. „Fuck the System“, steht auf einem der zahlreichen Bilder an den rohen Wänden.
Aber ist dieser Vegan-Trend nicht ziemlich weiß und elitär, ein Großtstadtbubble-Ding für Besserverdienende? Sophia Hoffmann widerspricht. Natürlich brauche man Zugang zu dem Wissen, wie man sich pflanzlich gut ernähren kann. Und vor allem die Zeit, selbst zu kochen. Das habe mit Privilegien zu tun. Aber man könne sich das ganze Jahr über gut mit regionalen und saisonalen Zutaten versorgen. Ihr Gemüse bekommt sie von einer Genossenschaft aus dem Berliner Umland, es kommt, was Saison hat, Transportwege ausrechnen erübrigt sich.
Für Daeng Khamlao kocht sie Kartoffelrösti und Kürbissalat. Den rohen Hokkaido massiert sie mit Salz, damit er weich wird, und macht ihn mit Zitrone an. Das schmeckt überraschend fruchtig und ganz anders als Kürbissuppe zum Beispiel. Sophia Hoffmann trägt dunkelblonden Vokuhila und Tattoos auf den Armen, darunter das Frauensymbol und ein Schweinchen-Emoji. Aufgewachsen ist sie in einem Biohaushalt. Ihr Vater hat ihr gezeigt, wie man aus saurer Milch Hüttenkäse macht. Inzwischen lebt sie seit zwölf Jahren in Berlin und hat schon mehrere Kochbücher geschrieben. Bald will sie ein Restaurant namens „Happa“ aufmachen.
Dass wir so klimaschädlich essen, sagt die Aktivistin, habe neben dem Fleischkonsum viel mit Überfluss zu tun. Allein in Deutschland werden jährlich 12 bis 18 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeschmissen. Über die Hälfte stammt aus privaten Haushalten. Mehr als ein Drittel wäre vermeidbar. Etwa neun Prozent der CO2-Emissionen für Lebensmittel lassen sich auf Abfall zurückführen – mehr als beim Transport.
Sie selbst macht deshalb aus Brokkoli-Stilen nussige Pasta-Saucen, das Grün austreibender Zwiebeln schmecke wie Frühlingszwiebeln. Daeng Khamlao macht aus ihren Gemüseresten im Restaurant einfach Brühe. Und sie erinnert sich, dass auch ihre Mutter schon „Leaf to Root“ betrieben hat – nur die Bezeichnung hat sie dafür bislang nicht benutzt. Klimabilanz: 285 Gramm CO2 für eine Portion Kartoffelrösti mit Kürbissalat.
Essen ist politisch, das ist für Tuleka Prah schon lange klar. Der afrikanische Kontinent macht 22 Prozent der Landfläche der Erde aus, 14 Prozent der Weltbevölkerung leben auf ihm. Trotzdem fehlt er meist, wenn es um „Essen aus aller Welt“ geht. In der Netflix-Show „Ugly Delicious“ etwa reist Starkoch David Chang auf alle Kontinente. Nach Afrika treibt es ihn nie. „Das macht mich verrückt, wenn diese Shows einen ganzen, gigantischen Kontinent einfach weglassen,“ sagt Tuleka Prah. Sie steht in der kleinen Küche ihrer Neuköllner Wohnung. Prah ist eine groß gewachsene, elegante Erscheinung, ihr kurzes Haar hat sie weißblond gefärbt. Ihre Mutter kommt aus Ghana, ihr Vater aus Südafrika, sie selbst ist in Cambridge geboren und lebt schon zehn Jahre in Berlin. Filme machen und Essen sind ihre Leidenschaften.
Als sie vor Jahren nach afrikanischen Rezepten googelte, konnte sie nichts Ansprechendes finden. Also nahm sie die Sache selbst in die Hand. 2012 flog sie nach Ghana, fragte Menschen auf der Straße nach ihren Lieblingsrezepten, filmte den Kochprozess und postete alles auf einem Blog: My African Food Map. Seitdem sind viele Gerichte dazu gekommen: Kachumbari zum Beispiel, ein Tomatensalat aus Kenia. Oder Isitambu, ein südafrikanischer Eintopf aus Maisgrütze und Bohnen.
Für Daeng Khamlao kocht sie Kontomire, ein Eintopf aus Ghana. Dafür schneidet sie Spinat, entfernt Gräten aus geräuchertem Fisch, brät Zwiebeln in Tomatenmark an. Traditionell nutzt man für Kontomire die Blätter der Cocoyam, ein afrikanisches Wurzelgemüse. Tuleka Prah aber bereitet ihre afrikanischen Gerichte mit Zutaten aus dem Supermarkt nebenan zu – Spinat ist ein guter Ersatz.
Dass die afrikanische Küche so unterrepräsentiert ist, habe mit Kolonialismus zu tun. „Es gibt eine systematische Abwertung der Bewohner:innen dieses Kontinents, ihr Kultur, ihrer Küche, ihrer Sprache“, sagt sie. Der Grund: die einfachere Ausbeutung. „Es ist leichter zu sagen, man würde Menschen zivilisieren, wenn man behauptet, sie seien nicht zivilisiert.“
Tuleka Prah kämpft auf ihre Weise dafür, Afrika sichtbarer zu machen. Dabei spielt natürlich Essen eine Rolle. Und es tut sich was: Zwar ist die afrikanische Küche auch in der Berliner Restaurantszene sehr unterrepräsentiert. Aber immer mehr Läden mit Essen aus allen Regionen Afrikas haben in den vergangenen Jahren geöffnet, fernab vom Klischee von Zebra- oder Straußenfleisch. Prah geht zum Beispiel gern ins Didi Pa an der Sonnenallee, einem kleinen Restaurant mit westafrikanischen Klassikern wie Jollof Reis. Afrikanisch wird es in Berlin in Zukunft wohl mehr geben, auch weil die Community wächst: 67 583 Menschen mit afrikanischem Pass oder Vorfahren leben heute in der Stadt, fast 20 000 mehr als noch 2015. Und es gibt noch einen anderen Grund: Einige Gemüsesorten, die heute gut in Deutschland wachsen, werden das in 20 bis 30 Jahren wegen des wärmeren Klimas wahrscheinlich nicht mehr tun. Schon jetzt gibt es Erwägungen, südlichere Sorten anzupflanzen – vielleicht ja auch Cocoyam.
Dass die thailändische Küche, die Dalad Kambhu anbietet, noch recht ungewöhnlich ist, hat ebenfalls mit Klischees zu tun. Denn Thai-Essen ist in Deutschland zwar weit verbreitet, aber die meisten verbinden es mit günstigem Street Food, Pad Thai im Pappkarton – von Sterneküche weit entfernt. Dalad Kambhu widersetzt sich diesem Vorurteil.
Fünf Tage die Woche steht sie zwölf Stunden im Restaurant, dem Kin Dee in Schöneberg. Das ist schlicht und stilvoll eingerichtet, dunkle Lederbänke, kontemporäre Kunst an den Wänden. Durch die bodentiefen Fenster ist das Treiben der unglamourösen Lützowstraße zu beobachten.
Als wir sie treffen, ist die 35-Jährige schon in Arbeitskleidung, weiße Kochuniform, das schwarze Haar nach hinten gebunden. Kambhu ist in Bangkok aufgewachsen, lebte lange in New York und arbeitete dort als Model, vermisste aber das Essen ihrer Heimat. 2016 kam sie nach Berlin und eröffnete ihr Restaurant, 2019 erhielt sie zum ersten Mal einen Michelinstern – eine Besonderheit. Weder thailändische Küche noch weibliche Köchinnen wurden bisher besonders oft ausgezeichnet: 310 Sterne vergab Michelin 2021 in Deutschland, 13 davon gingen an Frauen.
„Die Branche ist an Frauen nicht gewöhnt“, sagt Kambhu. Das System sei von Männern für Männer gemacht. Die Arbeitszeiten, die Umgangsformen in der Küche, nicht einmal Kochhemden gebe es in der richtigen Größe zu kaufen. Trotz aller Widrigkeiten ging Kambhus Konzept auf: Hochwertige, moderne thailändische Küche mit regionalen Zutaten. Dazu hat sie sich ein eigenes Netzwerk an regionalen Lieferanten aufgebaut, die teilweise inzwischen auch Gewürze wie Ingwer anbauen.
Auf den glänzenden Oberflächen ihrer Restaurantküche hackt sie Kohlrabi. Die Blätter hebt sie auf, frittiert oder getrocknet seien die „very yummy“. Kambhu kocht ihre Version des thailändischen grünen Papayasalats Som Tam. Dass Kohlrabi als Papaya-Ersatz besonders gut passt, hat sie durch Experimente herausgefunden. Auch Daeng Khamlaos Mutter hat Alternativen probiert, damals in Hessen: Gurke, Apfel, Kohlrabi, Karotten – alles, was im Kleinstadtsupermarkt zu finden war.
Für Dalad Kambhu ist es kein Widerspruch, thailändisch und regional zu kochen. Zubereitung und Würzung seien schließlich so, wie sie es schon als Kind beobachtet habe. Da macht sie auch keine Kompromisse. Wenn es ihren deutschen Gästen zu scharf ist, haben die eben Pech gehabt. Und auf einige Dinge lasse sich nicht verzichten, Fischsauce zum Beispiel. „Ich will ein nachhaltiges Restaurant haben, ja. Aber ich habe auch ein Thairestaurant.“
Der Besuch im Kin Dee zeigt in handwerklicher Höchstform etwas, das all die fünf Küchen gemeinsam haben: Ihre Rezepte ändern sich mit jeder Person, die sie kocht. Aus ganz pragmatischen Gründen oder aus Experimentierfreude. Das ist nicht nur eine Einschränkung, sondern ein Kern gastronomischer Entwicklung. Menschen verbinden mit Essen ein Gefühl von Heimat, eine Erinnerung oder auch nur einen einzigen besonderen Moment. Weil das so ist, versuchen wir viel, um diese Erinnerung an anderen Orten wiederzubeleben. Und wenn die Zutaten dort andere sind, entwickeln sich neue Rezepte, die trotzdem etwas davon erhalten, was uns wichtig ist.
Das Essen von morgen wird vegetarischer sein. Tierische Produkte sind weit schädlicher für das Klima als lange Transportwege. Es wird wohl auch teurer, denn regionale Bio-Lebensmittel haben ihren Preis. Und in dem kaputten derzeitigen Lebensmittelmarkt wird sich das nicht allein durch die Entscheidungen der Gastronomie oder der Kundschaft lösen lassen, da braucht es auch politische Lösungen. Essen wird immer internationaler sein, weil die Städte internationaler werden. Es wird noch mehr experimentiert werden, die Zutaten neu gemischt.
Rezepte haben sich schon immer stetig geändert. Die Papaya, die in der thailändischen Küche so verbreitet ist, kam ursprünglich aus Mittelamerika, wo übrigens auch Tomaten ihre Heimat haben. Wenn wir unsere Rezepte jetzt dem Klima zuliebe anzupassen, muss das vielleicht gar nicht als Verlust angesehen werden, sagt Daeng Khamlao, sondern als Fortsetzung kulinarischer Entwicklung.
Die Serie Papaya & Pommes beschäftigt sich mit den Klimafolgen unserer Ernährung und internationaler Gastronomie.
In einer Videoserie begleiten wir dabei die Gastronomin Daeng Khamlao auf einer Suche. Sie befindet sich in einem inneren Konflikt. Für die gebürtige Thailänderin ist asiatisches Essen ein Stück ihrer Identität. Dabei sind die Zutaten oft von weither importiert und nicht immer klimafreundlich oder nachhaltig. Wie kann Daeng klimafreundlich kochen, ohne dabei auf die Gerichte aus ihrer Heimat zu verzichten?
In der Videoserie, die der Tagesspiegel mit der Berliner Produktionsfirma Schuldenberg Films entwickelt hat, begibt sie sich auf die Suche nach einer Lösung für ihr Dilemma. Daeng, die das Restaurant The Panda Noodle in Kreuzberg betreibt, besucht in fünf Folgen verschiedene internationale Restaurants und Essensprofis in Berlin und lässt sich ihre Küchen zeigen. Dabei versucht sie, herauszufinden: Wie klimaschädlich ist welche Art zu Kochen wirklich? Kann man weit gereiste Zutaten für thailändische, afrikanische oder indische Gerichte durch regionale Zutaten ersetzen? Oder ist das vielleicht gar nicht nötig? Sie findet dabei ungewöhnliche Gerichte – und vielleicht auch ein bisschen etwas von Berlins Küchen der Zukunft.
In der ersten Folge trifft Daeng die Ernährungsökonomin Ann-Cathrin Beermann und zeigt ihre eigene Küche. Ihr könnt die Serie direkt hier oder auf Youtube ansehen.