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Vier Gründe, warum Rinder das Klima zerstören

Die Massentierhaltung schadet massiv dem Klima – allen voran die zehn Millionen Rinder in Deutschland. Über ein auf Effizienz getrimmtes System.
Die Massentierhaltung schadet massiv dem Klima – allen voran die zehn Millionen Rinder in Deutschland. Über ein auf Effizienz getrimmtes System.

Die Landidylle wird durch das Rülpsen der Kühe gestört. Das Treibhausgas Methan entströmt den Mägen der Wiederkäuer. Ein normaler biologischer Prozess. Wegen ihm gelten Kühe aber als Klimakiller. Und damit auch die Lebensmittel, die sie produzieren. Der CO2-Fußabdruck von Rindfleisch ist um ein sechsfaches höher als etwa von Hühnchen. Der von Kuhmilchkäse im Vergleich zu Ziegenkäse um ein vierfaches. Kuhmilch ist um ein 26-faches klimaschädlicher als Sojamilch. Heißt die logische Konsequenz also: kein Rindfleisch mehr essen, keine Milchprodukte mehr konsumieren, Rinderhaltung einfach abschaffen, Klima gerettet?

Zunächst scheint es so: Zwischen 2007 bis 2016 entfiel weltweit fast ein Viertel der menschengemachten Treibhausgase auf die Landwirtschaft. Der größte Teil der landwirtschaftlichen Treibhausgas-Emissionen in Deutschland sind auf die Tierhaltung zurückzuführen, nämlich rund 62 Prozent. Das Rülpsen der Kühe hat daran einen nicht unbeträchtlichen Anteil. 77 Prozent der Methan-Emissionen in der Landwirtschaft entstanden allein durch die Verdauung von Wiederkäuern. Hauptverursacher: Rinder und Milchkühe mit einem Anteil von 95 Prozent. Und Methan ist um ein Vielfaches klimaschädlicher als CO2.

Ganz so einfach ist es trotzdem nicht. Denn wie klimaschädlich eine Kuh ist, hat viel damit zu tun, wie Menschen sie halten. Und es hat damit zu tun, wie Subventionen ein System fördern, das nicht in ökologischen Kreisläufen, sondern in Wirtschaftsleistung denkt. Ein System, in dem Verbraucher:innen in Deutschland wenig Einfluss auf den Weltmarkt hat – auch beim Klimaschutz.

1. Ein System auf Abwegen

Das Systemproblem lässt sich an zwei einfachen Zahlenvergleichen ablesen. Zuerst die Zahl der Rinder: Längst grasen die meisten der 11,3 Millionen, die es 2021 in Deutschland gibt, nicht mehr auf grünen Wiesen. Die Kuh ist zum Industrieprodukt geworden. Die Tierhaltung hat viele Abläufe automatisiert. Wie sehr sie auf Leistung getrimmt ist, zeigt ein Vergleich. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Milchkühe in Deutschland leicht gesunken. Aber die Menge an Milch, die jede Kuh pro Tag im Durchschnitt gibt, ist gestiegen.

Quellen: FAO, BMEL

Die zweite Kennzahl betrifft die Höfe, die Rinder halten. Es werden in Deutschland weniger. Schaut man auf die Zahl der Tiere pro Betrieb im Vergleich, zeigt sich: Kühe verschwinden nicht, sie werden eher umverteilt. Die Betriebe in Deutschland werden größer.

Quelle: BMEL

Agrarfachleute nennen Generationenwechsel, Strukturwandel, veränderte Essgewohnheiten und Preisdruck durch niedrigere Erzeugerpreise als Gründe für das Höfesterben. Dass Fleisch- und Milchprodukte in Deutschland zu billig sind, betonte letztens erst Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne).

Dass wegen dieser Dumpingpreise für Milch und Co. kleine Höfe aussterben, hat gravierende Folgen für das Klima. Denn wenn nur große Massenbetriebe wirtschaftlich bleiben können und immer mehr Rinder in großen Ställen gehalten werden, schadet dem Klima viel mehr als die Kuh auf der Wiese. Das wiederum hat mit dem Futter zu tun.

2. Eine Frage der Haltung – und des Futters

In großen Betrieben kaufen Bauern oft Futtermittel hinzu, um die Tiere zu versorgen. Soja ist beliebt wegen des hohen Proteingehaltes und es stammt meist aus den USA oder Brasilien. Klimafreundlich ist der Import nicht. Hinzu kommt, dass für Sojaplantagen in Südamerika oft Regenwald weichen muss – als wichtiger CO2-Speicher essentiell für den Klimaschutz.

Doch auch ohne Soja hat die Zufütterung Klimafolgen. Denn je nach Futter stößt die Kuh bei der Verdauung mehr oder weniger Methan aus. Fräßen die Kühe nur Klee, entstände weniger Methan. Die Daten zeigen: Der Methanausstoß pro Kuh hat in den vergangenen Jahren zugenommen.

Zur Vereinheitlichung werden Emissionen von unterschiedlichen Klimagasen, u.a. auch Methan, in Kilo Kohlendioxidäquivalenten (kgCO2eq) angegeben. Jedes Gramm Methan wird mit 25 multipliziert.

Nicht nur das Methan ist schlecht fürs Klima. Fressen Kühe Klee und Gras, verwandeln sie für den Menschen Ungenießbares in Nahrung. Wächst diese Nahrung wild auf Wiesen, ist sie extrem klimafreundlich. Denn der Boden speichert viel CO2.

Weil jeder Boden unterschiedlich viel von dem Treibhausgas speichert, spielen Flächenumnutzungen eine wichtige Rolle beim Klimawandel. Wird aus einer grünen Weide ein Acker mit Getreide, entstehen CO2-Emissionen – allein durch die Nutzungsänderung des Bodens. Am meisten CO2 speichern Moore. Auf Platz zwei liegt Grasland, zu dem auch Kuhweiden gehören.

Weideland ist ein wichtiger CO2-Speicher
Die Grafik zeigt die CO2-Speicherkapazitäten verschiedener Bodenarten in Tonnen CO2 pro Hektar. Beim Umschalten werden die weltweiten Vorkommen der Bodenarten in Quadratkilometer gezeigt. 

Die intensive Landwirtschaft braucht nur wenige Weiden. Flächen werden zu Äckern umgenutzt. Die Folgen fürs Klima: Weniger CO2 wird im Boden gebunden.

3. Zu viel Lachgas ist nicht witzig

Wenn eine Kuh verdaut, entsteht noch ein weiteres Klimagas – allerdings erst ganz am Ende. Ihre Ausscheidungen gelten als natürlicher Dünger. Landen diese nicht direkt auf den Weiden, werden sie gesammelt und als Gülle auf Äckern verteilt. Dort entsteht dann Lachgas (Distickstoffmonoxid), ebenfalls ein Treibhausgas und nochmal um ein Vielfaches klimaschädlicher als Methan. In Deutschland stammen nach Angaben des Umweltbundesamtes rund 81 Prozent der Lachgas-Emissionen aus der Landwirtschaft.

Um das Klimaproblem mit Lachgas besser zu verstehen, muss man auf den Stickstoffkreislauf schauen. Das Gas Stickstoff, einer der Bestandteile von Lachgas, wandert in diesem Kreislauf zwischen Boden und Luft hin und her. Pflanzen brauchen Stickstoff für ihr Wachstum, können ihn aber nur aus dem Boden aufnehmen. Steht eine Kuh auf der Weide, düngen ihre Ausscheidungen die Pflanzen automatisch. Eine Kuh auf der Wiese ist also Teil eines natürlichen Kreislaufes. Sie frisst die Pflanzen, liefert mit ihren Ausscheidungen gleichzeitig Dünger für das Wachstum der Pflanzen.

Zu viel Gülle, zu viel Nitrat

Steht die Kuh im Stall, landet ihr Dung später in Form von Gülle auf den Feldern. Das Problem: In Ställen mit dutzenden Rindern gibt es für die großen Mengen an Gülle keine Verwendung. Dieser Überschluss wird auf die Felder ausgebracht. Wird der Boden überdüngt, also mehr Stickstoff ausgebracht, als die Pflanzen aufnehmen können, kann ein Teil als Lachgas freigesetzt werden. Einer Studie einer internationalen Forschungsgruppe zu Folge liegt die Lachgas-Konzentration in der Atmosphäre um 20 Prozent über dem vorindustriellen Niveau. Dieser Anstieg der Konzentration ist hauptsächlich auf die Landwirtschaft zurückzuführen.

Der Überschuss an Gülle und die Überdüngung haben noch eine weitere Folge. Nitrate, also Stickstoffsalze, landen im Grundwasser. Die Nitratbelastung in Deutschland ist zu hoch: Erst 2018 hatte der Europäische Gerichtshof Deutschland wegen zu hoher Nitratwerte verurteilt. Die neue Düngeverordnung soll längerfristig die Belastung senken. Etwa 27 Prozent der Messstellen überschreiten den Schwellenwert (Stand Februar 2022). Weil die Reinigung des Grundwassers teuer ist, steigen für Verbraucher:innen die Trinkwasserpreise.

4. Der Markt verstärkt den Klimawandel

Nicht nur Gülle gibt es in einigen Regionen in Deutschland zu viel. Auch Tiere könnte es weniger geben – selbst bei dem jetzigen Essverhalten der Bevölkerung würde theoretisch kein Fleischmangel entstehen. Der Selbstversorgungsgrad bei Fleisch und Milch liegt in Deutschland bei über 100 Prozent. Leistungssteigerungen wie etwa bei der Milchproduktion wären gar nicht mehr nötig. Dass sie trotzdem passieren, hängt mit dem Weltmarkt zusammen.

Denn obwohl in Deutschland der Konsum an Milch- und Fleischprodukten sinkt – bei Fleisch von 61,8 Kilogramm pro Kopf und Jahr in 1995 auf 59,9 Kilogramm in 2015 –, ist die Schlachtmenge an Fleisch in der gleichen Zeit gestiegen – von 5,51 Tonnen auf 8,26 Tonnen. Was nicht im Land verzehrt wird, wird exportiert. Besonders nach China hat der Export extrem zugenommen.

Interaktive Karte: Importe und Exporte aus und nach Deutschland
Drücken Sie den Play-Button, um die Entwicklung der Im- und Exporte auf der Karte anzeigen zu lassen.

Wird in Deutschland weniger Fleisch gegessen oder verarbeitet, wird also einfach mehr exportiert: Das Verhalten des Einzelnen hat also auf den Weltmarkt wenig Einfluss. Diese Entkopplung von Konsum und Produktion in den Ländern führt zu einem großen Problem fürs Klima – die Klimafolgen der Transporte nicht mit einberechnet. Denn sie bedeutet möglicherweise, dass nur ein politisches Eingreifen zu schnellen Klimaschutz-Erfolgen in Sachen Fleisch führen könnte.

Subventionen gegen den Klimawandel – ohne Erfolg

Einiges, was die Politik bisher tut, geht weiter auf Kosten des Klimas – und auch Steuerzahler:innen belastet es. Die Agrarsubventionen der Europäischen Union etwa machen es möglich, dass große Höfe zu niedrigen Erzeugerpreisen agieren können, während kleine Höfe schließen müssen. Gemeinsame Agrarpolitik, kurz GAP, heißt das Subventionsprogramm der EU. Rund 6 Milliarden Euro jährlich stehen Deutschland davon jedes Jahr zur Verfügung. Das Geld wird anteilig nach der Fläche verteilt. So lohnt es sich, große Höfe mit möglichst vielen Maschinen und wenig Personal zu betreiben.

Immerhin: Seit 2013 ist der Klimaschutz eines der Hauptziele der GAP. In einem weiteren Teil der Förderungen sollen gezielt Umwelt- und Klimaschutz in der Landwirtschaft unterstützt werden. Doch ein Sonderbericht des EU-Rechnungshofes aus dem vergangenen Jahr stellte fest, dass „die GAP-Mittel in Höhe von 100 Milliarden Euro, die im Zeitraum 2014-2020 für den Klimaschutz bereitgestellt wurden, kaum Auswirkungen auf derartige Emissionen hatten.”

Steuererleichterungen für klimaschädliche&nbsP;Maschinen

In Deutschland gibt es sogar noch weitere Unterstützung, die Emissionen fördern. Dazu gehören besonders Steuererleichterungen. Das Umweltbundesamt veröffentlicht regelmäßig eine Liste der umweltschädlichen Subventionen in Deutschland. Bei der Landwirtschaft finden sich neben dem GAP-Programm der EU vor allem drei weitere Punkte.

Erstens Benzin. Landwirte können sich einen Teil der für ihren Kraftstoffverbrauch gezahlten Energiesteuern auf Antrag zurückerstatten lassen. Seit den 50er Jahren gibt es diese Vergünstigungen. Im Jahr 2018 bedeutete das:

Millionen Euro
Steuermindereinnahmen durch Steuervergünstigung für Agrardiesel

„Das Agrardieselprivileg steht im Widerspruch zum Ziel des Klimaschutzes, da es fossile Energieträger subventioniert und die ökonomischen Anreize zu einem effizienten Einsatz der Energieträger stark verringert”, schreibt das Umweltbundesamt in seiner Analyse.

Steuervergünstigungen gelten für Landwirte zweitens auch bei der Kfz-Steuer. So muss diese für landwirtschaftliche Zugmaschinen nicht bezahlt werden. So entstanden 2018

Millionen Euro
Steuermindereinnahmen durch Befreiung landwirtschaftlicher Fahrzeuge von der Kraftfahrzeugsteuer

Das Umweltbundesamt bezeichnet diese Befreiungen als umwelt- und klimaschädlich. Sie würden den Trend verstärken, immer schwerere Maschinen in der Landwirtschaft einzusetzen. Das erhöhe den Kraftstoffverbrauch und führe zu einer vermehrten Schädigung landwirtschaftlich genutzter Böden durch Verdichtung, weil die Maschinen immer größer werden. „Diese Schäden sind teilweise irreversibel und schränken die natürlichen Bodenfunktionen ein”, heißt es in dem Bericht.

Allein durch diese Erleichterungen entgingen dem deutschen Staat knapp eine Milliarde Euro. Doch damit nicht genug. Denn auf Fleisch- und Milchprodukte gilt drittens ein vergünstigter Mehrwertsteuersatz. Eingeführt wurde er aus sozialpolitischen Gründen, damit jeder sich bestimmte Lebensmittel des Grundbedarfs leisten kann. Wegen der schweren Klimafolgen der Tierhaltung und des schlechten ökologischen Fußabdruckes der Produkte fordern Kritiker schon länger eine Anhebung des Mehrwertsteuersatzes für tierische Produkte auf 19 Prozent. Nach Schätzungen des Umweltbundesamtes entgingen dem Staat 2019 mindestens

Millionen Euro
durch Mehrwertsteuerbegünstigung

Könnte Geld aus einer höheren Tierprodukt-Mehrwertsteuer dazu beitragen, die Landwirtschaft klimafreundlicher zu gestalten, etwa Bauern beim Umbau ihrer Ställe zu unterstützen? Kürzlich sprach sich auch das Fleischunternehmen Tönnies für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aus. Die ehemalige Landwirtschaftsministerin hatte eine „Tierwohlabgabe“ ins Spiel gebracht. Auch sie könnte mehr Klimaschutz in den Ställen bewirken. Das „Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft” hatte vor einigen Jahren eine Stickstoffüberschuss-Abgabe diskutiert, die bei den Gülleüberschüssen ansetzen würde und Bio-Bauern, die klimafreundlicher wirtschaften, nicht belasten würde.

Klar bleibt aber auch: Ohne Verzicht auf Fleisch und Milchprodukte – und weniger Tiere – wird es nicht klappen, zumindest nicht mit der Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels. Was sich ebenfalls deutlicher denn je abzeichnet: Es sind nicht die Verbraucher:innen allein, die mit Verzicht den Klimawandel aufhalten können. Ohne einen Eingriff der Politik in den Markt geht es nicht.

Papaya & Pommes: Das Projekt

Die Serie Papaya & Pommes beschäftigt sich mit den Klimafolgen unserer Ernährung und internationaler Gastronomie in Berrlin.

In einer Videoserie begleiten wir dabei die Gastronomin Daeng Khamlao auf einer Suche. Sie befindet sich in einem inneren Konflikt. Für die gebürtige Thailänderin ist asiatisches Essen ein Stück ihrer Identität. Dabei sind die Zutaten oft von weither importiert und nicht immer klimafreundlich oder nachhaltig. Wie kann Daeng klimafreundlich kochen, ohne dabei auf die Gerichte aus ihrer Heimat zu verzichten?

In der Videoserie, die der Tagesspiegel mit der Berliner Produktionsfirma Schuldenberg Films entwickelt hat, begibt sie sich auf die Suche nach einer Lösung für ihr Dilemma. Daeng, die das Restaurant The Panda Noodle in Kreuzberg betreibt, besucht in fünf Folgen verschiedene internationale Restaurants und Essensprofis in Berlin und lässt sich ihre Küchen zeigen. Dabei versucht sie, herauszufinden: Wie klimaschädlich ist welche Art zu Kochen wirklich? Kann man weit gereiste Zutaten für thailändische, afrikanische oder indische Gerichte durch regionale Zutaten ersetzen? Oder ist das vielleicht gar nicht nötig? Sie findet dabei ungewöhnliche Gerichte – und vielleicht auch ein bisschen etwas von Berlins Küchen der Zukunft.

In der ersten Folge trifft Daeng die Ernährungsökonomin Ann-Cathrin Beermann und zeigt ihre eigene Küche. Ihr könnt die Serie direkt hier oder auf Youtube ansehen. In Folge zwei besucht sie besondere indische Restaurants. Und in der dritten Folge geht es um vegane Küche mit der Autorin Sophia Hoffmann. Alle Folgen Papaya und Pommes gibt es hier.

Die Autorinnen und Autoren

Eric Beltermann
Webentwicklung
Tamara Flemisch
Webentwicklung
Helena Wittlich
Text & Recherche
Veröffentlicht am 18. Februar 2022.
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